Art
Nicht offener städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb

Preisgericht
07/2020

Auslober
Stadt Garching

Mosaikquartier am Schleißheimer Kanal
In der näheren Umgebung des Planungsgebietes sind die starke Linearität des denkmalgeschützten Schleißheimer Kanals mit seinem begleitenden Gehölzrand sowie die teilweise großformatige Nachbarschaft des Gewerbegebiets strukturbestimmend.

Im weiteren Umfeld prägen blockartige Formen die Siedlungs- und Freiraumstruktur der Kultur- und Heidelandschaft. Die jeweiligen Bestandteile der vorhandenen Siedlungskörper und Gehölzstrukturen – Wohnbebauung, Gewerbegebiet, Waldgebiete, Acker- und Heideflächen – existieren heute jedoch in Form eines reinen Nebeneinanders, ohne wirksam in Beziehung zueinander zu treten.

Der Entwurf knüpft an die beschriebenen vorhandenen Strukturen grundsätzlich an und nimmt das Thema der Linearität wie auch das der blockartigen Formen auf. Die entstandenen Quartiere werden intensiv funktional, räumlich und gestalterisch miteinander sowie mit der Umgebung vernetzt. So entsteht eine vielfältige Mosaikstruktur, die ein attraktives und abwechslungsreiches Wohnangebot mit hohem Wiedererkennungswert verspricht.

Städtebau
Die Bebauung wird zu einem großen Teil an die nordseitige Begrenzung gerückt, um im Süden einen möglichst hohen Anteil an lärmgeschützten, hochwertigen Grün- und Freiflächen zu schaffen. Die nördliche Randbebauung ist aus Lärmschutzgründen weitgehend geschlossen ausgeführt. Der Quartierseingang wird an der künftigen Einmündung der von Norden kommenden Erschließung in die neue Ost-West-Tangente angeordnet und durch einen moderaten baulichen Akzent an einem fahrverkehrsfreien Willkommensplatz betont.

Das Plangebiet ist in insgesamt acht eigenständige Quartiere, mit jeweils unterschiedlicher Ausprägung und Adressbildung, gegliedert. In jedem Quartier wird eine Mischung aus Wohnungsbau und Hausformen angeboten, um die soziale Durchmischung und ein lebendiges Miteinander zu fördern. Jedes Quartier verfügt über eigene Spiel- und Treffpunktbereiche, die mit den übergeordneten Grünzonen verzahnt sind.

Nutzungen
Die Nicht-Wohnnutzungen werden am nördlichen Quartierseingang gebündelt, um an dieser Stelle eine angemessene Öffentlichkeit und Attraktivität herzustellen. Dort befinden sich die Kita und die Möglichkeiten zur Anordnung kleinerer erdgeschossiger Laden-, Gastronomie-, Versorgungs- oder Dienstleistungseinheiten. In den Obergeschossen können an dieser Stelle wohngebietsverträgliche Büro- und Gewerbeflächen oder in abgeschirmten Bereichen auch Wohnnutzungen vorgesehen werden.

Erschließung / Mobilität
Die Haupterschließung in Ost-Westrichtung wird tangential an der Nordgrenze geführt, um das Innere des Plangebiets von Durchgangsverkehr freizuhalten. Die von Norden kommende Straße wird senkrecht auf die Ost-West-Tangente und den Quartiersplatz zugeführt, um diesen bewusst ins Blickfeld zu rücken. Dort wäre zur Unterstützung der öffentlichen und gewerblichen Nutzungen sowie für die Bewohner des Planungsgebietes eine künftige Bushaltestelle wünschenswert. Der Ziel- und Quellverkehr der südlichen Quartiere wird über einen einfachen, verkehrsberuhigten Erschließungsbügel als Mischzone im Inneren des Plangebiets hergestellt, so dass dort keine Wendemanöver erforderlich werden (auch für Müll, Feuerwehr, Anlieferung und Umzug).

Gebäudetypologien / Immissionsschutz
Maßnahmen gegenüber Geräuschen von den weiter östlich verlaufenden Verkehrswegen U-Bahn, Bundesautobahn A 9 und Bundesstraße B 471 sind gemäß der Lärmkarte aus den Auslobungsunterlagen nicht erforderlich, da bereits am Ostrand die Orientierungswerte für allgemeines Wohngebiet eingehalten werden. Die nördliche Randbebauung ist aufgrund des Gewerbelärms als Lärmschutzbebauung geplant, die zur Nordseite über Laubengänge und / oder ausschließlich Nebenflächen verfügt (nicht schutzbedürftige Aufenthaltsräume wie Arbeitsküchen, WCs, Bäder, Flure und Treppenhäuser). In Sondersituationen sind nach Norden auch fest verglaste Lärmschutzloggien denkbar. Nach Süden können die Gebäude großzügig natürlich belichtet und belüftet werden. Die drei Öffnungen der nördlichen Lärmschutzbebauung sind im unmittelbaren Anschluss nach Süden von seitlichen Baukörpern flankiert, die ihre schutzbedürftigen Aufenthaltsräume lärmabgewandt ausrichten können. Der hierdurch im Wesentlichen auf den jeweiligen Erschließungsweg gebündelte Geräuscheintritt in das Gebiet schwächt sich im weiteren Verlauf ab und trifft auf Einrichtungen ohne Schutzbedarf (z. B. Fahrradabstellplätze). Die Überhöhung der Lärmschutzbebauung gegenüber der übrigen geplanten Bebauung beträgt mindestens 2 Geschosse im Norden und mindestens 1 Geschoss im Osten und Westen. Die übrige Bebauung kommt ohne Lärmschutzmaßnahmen aus. Die bevorzugte Ausrichtung ist die für Wohnen optimale Süd-West-Orientierung.

Freiflächenkonzept
Die Grün- und Freiflächen nehmen die starke Linearität des Schleißheimer Kanals sowie die mosaikartige Kachelstruktur der Bebauung auf. Parallel zum Kanal verläuft im Süden ein naturnaher Grünraum, in dem das Augenmerk auf ökologisch wirksamen Maßnahmen liegt, sowie im Inneren des Planungsgebietes ein breiter intensiv nutzbarer Grünzug. Beide Grünräume sind nach Osten fortsetzbar. Auf Höhe des nördlichen Willkommensplatzes sind die beiden Bereiche großzügig in Nord-Süd-Richtung miteinander verbunden.

In einer zweiten Ebene gliedern sich die Grünzüge in unterschiedlich ausgestaltete Felder, die gemeinsam mit den Quartiersplätzen und den Fußwegen ein feines Netz über das gesamte Planungsgebiet spannen.

Die acht Wohnquartiere haben jeweils direkten Kontakt zum intensiv nutzbaren, öffentlichen Ost-West-Grünzug im Zentrum des Plangebiets. Das Angebot in den begrünten Freiflächen wird durch Nutzgärten für die Anwohner („Urban Gardening“ / Mietergärten) ergänzt, was insbesondere für die Bewohner von Wohnungen von hohem Interesse sein kann. Spiel- und Aufenthaltsflächen, unterschiedliche Gehölzstrukturen und Freiraumqualitäten besetzen das Freiraummosaik spielerisch und abwechslungsreich.

Naturnahe Grünflächen / Ausgleichsflächen
Der Grünzug im Süden wird als Biotopband mit standortgerechten Lebensräumen der Münchner Nordheiden gestaltet. Arten- und blütenreiche Magerwiesen, die gut besonnt werden können, korrespondieren mit den Grasheiden des südlich gelegenen Europäischen Schutzgebiets und bringen die seltenen Tiere und Pflanzen der Umgebung vor die Türen der neuen Bewohner. Die für einen hohen Artenreichtum wichtige Lebensraumvielfalt wird durch eingestreute Einzelbäume und Strauchgruppen erreicht, bei denen vor allem früchtetragende Arten Verwendung finden.

Die Haine im Inneren des Planungsgebietes orientieren sich an den natürlichen Waldgesellschaften der Umgebung: Eichen-Hainbuchen-Bestände, Kiefern-Birken-Haine und Kirschen-Linden-Bestände. Sie bieten mit zunehmenden Alter Lebensräume für Vögel und Fledermäuse, Kirsch und Linden sind darüber hinaus wichtige Pollenspender für viele Insektenarten. Die Artenauswahl ist auf diesem Standort tolerant gegenüber der Veränderung.

Ökologie und Nachhaltigkeit
Es wird angeregt, sich an nachhaltigen Baumaterialien („No waste“, „No kilometer“, „No CO²“) zu orientieren. Beispielsweise Baumaterial aus zertifiziertem Holz könnte hier gut an Fassaden und auch konstruktiv zum Einsatz kommen. Weiterhin sollten die Lebenszyklen und die Instandhaltungsmaßnahmen in die Betrachtungen einfließen. Die überwiegende Orientierung der Neuplanung nach Süden trägt stark zur passiven Nutzung der Sonnenergie bei. Zusätzlich könnten Photovoltaik, Geothermie und ein Nahwärmenetz vorgesehen werden. Extensive Dachbegrünungen sowie Fassadenbegrünungen wirken sich positiv auf den Regenwasserrückhalt, sowie die Verdunstungs- und Versickerungseigenschaften aus und dienen als zusätzlicher Lebensraum. Tiefgaragen werden mit 1,0 m bis 1,2 m Erdüberdeckung zur vollwertigen Bepflanzbarkeit durch Bäume vorgeschlagen, alle privaten Verkehrsflächen sind versickerungsfähig geplant.

Verfasser des Wettbewerbs
Goergens Miklautz Partner GmbB, München
Christian Weigl, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner
Anne Baumgartner, Dipl.-Ing. (Univ.) Landschaftsarchitektin

Mitarbeit:
Vaishali Anavatti, M.Sc. Advanced Urbanism, M.Eng. Stadt- u. Regionalplanung
Camila Bellatini, M.A. Architektur

Modellbau
Martin Kratzer, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt