Paul-Gerhardt-Allee WA 4, München, Wettbewerb 3. Preis
Realisierungswettbewerb, Baugebiet WA 4 im Entwicklungsgebiet Paul-Gerhardt-Allee in München
Preisgericht
10/2019 – 3. Platz
Bauherr
DEMOS Wohnbau GmbH, München
Im neuen städtebaulichen Entwicklungsareal Paul-Gerhardt-Allee (PGA) stellt das zukünftige WA 4 die geographische Mitte dar. Aufgrund seiner Größe, den überaus langen straßenbegleitenden Baufluchten und seiner prägnanten Höhenentwicklung bildet es darüber hinaus den baulichen Mittelpunkt des Gesamtareals. Die Herausforderung der Aufgabenstellung liegt in der Formulierung einer erinnerbaren, zusammenhängenden Großstruktur, die sich gleichwohl aus unterschiedlichen Hauselementen zusammensetzen sollte.
Der grüne Block
Grundidee ist es im Kontext der lebhaft unterschiedlich gestalteten Quartiere eine ruhige, kraftvolle Mitte zu schaffen, die einen übergeordneten, gestalterischen Zusammenhang formuliert und gleichzeitig als Hausfamilie mit differenziert gestalteten Einzelhäusern wahrgenommen wird.
Der Begriff „Grüner Block“ bezieht sich einerseits auf die abwechslungsreiche Farbgebung der Putzfassaden in hellen Farbtönen der Farbfamilie grün-blau. Andererseits auf die Hofgestaltung, die unter Verzicht auf größere befestigte Flächen (keine Feuerwehr) eine üppige grüne Parklandschaft anbietet (deutliche Höherlegung des Hofniveaus), die uns geeignet scheint, einen ökologischen und gestalterischen Ausgleich zur extrem urbanen Außenwelt in den Straßenräumen anzubieten. Stichwort „Grüne Lunge“.
Städtebauliche Einbindung
Die Spielräume für Höhenstaffelung werden genutzt, um die hohen Baukörper mit 7 Geschoßen jeweils konsequent zu den gegenüberliegenden offenen Freiflächen zu orientieren. Damit werden Verschärfungen der Engstellen zur gegenüberliegenden Bebauung vermieden und gleichzeitig die Hochpunkte weiträumig sichtbar und die Setzung folgerichtig nachvollziehbar. Die städtebauliche Dominante am Platz (9 Geschoße) wird auf maßstäblich angemessene Proportionen reduziert, bildet jedoch bewusst einen bedeutsamen städtebaulichen Akzent im Gesamtgefüge.
Als herausragender Solitär erhält das Gebäude eine besondere Materialität, die formal und gestalterisch aus dem umlaufenden Sockelgeschoß abgeleitet wird.
Sockelzone
Beim WA 4 kommt dem EG eine herausragende Bedeutung zu. Die drei Hauptseiten der Straßenfassaden entwickeln sich aus dem relativ engen Gehsteig als Hochparterre mit überwiegender Wohnnutzung (Forderung Auslobung). Damit dieser extrem beanspruchte Bereich dauerhaft hochwertig gestaltet und erhalten werden kann, wird eine Keramikfliesenverkleidung vorgeschlagen, die in hellen grün-blau Tönen changiert und als umlaufendes Band eine horizontale gestalterische Zusammenfassung formuliert.
Gliederung
Der Grüne Block ist in 18 Hauseinheiten gegliedert. Häuser mit gleicher Höhenentwicklung sind einzeln oder auch paarweise zusammengefasst als eigene Hauseinheiten und sowohl in der Detailgestaltung als auch in Oberflächenstruktur und Farbgebung unterschiedlich gestaltet.
Dabei soll die Hausfamilie als großes Ganzes ablesbar bleiben, die Differenzierung der Hauseinheiten erschließt sich jedoch beim Näherkommen sozusagen auf den zweiten Blick. Die Gliederung der Hauseinheiten ist vorwiegend vertikal. Damit orientiert sich der Entwurf an der Umgebungsbebauung, sucht den maßstäblichen Dialog mit der Nachbarschaft, aber setzt gleichwohl eigene Akzente in Materialität, Farbigkeit und Detail.
Erschließung
Die Erschließung mit dem Pkw erfolgt von der Berduxstraße übersichtlich über die TG-Zufahrt, unmittelbar vor dem Hochhaus. Die Pkw-Stellplätze sind in einer Tiefgaragenebene zusammegefasst. Eine überschaubare Zahl von Stellplätzen wird in Duplexanordnung unter der Hofkante der Bebauung angeboten.
Die Fußwegerschließung der 18 Treppenhäuser erfolgt vom Straßenraum. Im Westen ebenfalls von außen über die direkte Wegeverbindung östlich des Sportplatzes. Alle Treppenhäuser sind durchgesteckt geplant somit ist über jedes Treppenhaus auch der höherliegende Innenhof barrierefrei und auf kurzem Weg erreichbar. Ebenfalls die Adressbildung des viergeschossigen Baukörpers, welcher den Innenhof teilt, ist klar definiert. Er ist in den Obergeschossen ist über einen Laubengangtypus konzipiert. Hier erfolgt die Erschließung ebenfalls über die Treppenhauszugänge an den begleitenden Straßen. Über diese Treppenhäuser erfolgt auch der Zugang zu den Erdgeschoßgartenwohnungen, die jeweils wie kleine Hauseinheiten über einen Vorgarten von der Ostseite erschlossen werden.
Feuerwehr
Ein zentrales Anliegen des vorliegenden Entwurfes war es, die Innenhöfe von einer Befahrung durch Feuerwehrfahrzeuge freizuhalten. Alle Wohneinheiten sind so organisiert, dass sie von den öffentlichen Verkehrswegen aus anleiterbar sind. Die hohen Gebäudeteile an der Südseite besitzen vorgelagerten Parkstreifen und sind durch Senkrechtaufstellflächen für die Feuerwehr erschlossen. Der Hochpunkt am Quartiersplatz besitzt ein Sicherheitstreppenhaus. So gelingt es, die Innenhöfe als naturnahe Erholungsräume mit nur wenigen befestigten Wegeflächen, intensivem Baumbestand und bespielbaren Wiesenflächen zu gestalten und den Bewohnern einen Ausgleich zum hochgenutzten Straßenraum anzubieten.
Hochhaus
Das Hochhaus am Angela-Molitoris-Platz nimmt im Gesamtgefüge des Grünen Blocks eine Sonderstellung ein. Es wird als städtebaulicher Akzent durch Höhenentwicklung, Baukörperform, Gestaltung und besondere Materialität bewusst als Eingang und Visitenkarte des Quartiers inszeniert. Dazu gehört die erdgeschossige Arkadenvorzone genauso wie der zentrale Eingangsbereich, das großzügige Angebot an Gemeinschaftsräumen im EG mit vorgelagerter Südterrasse und der repräsentativen Durchgang zum Innenhof.
Wohnungsgemenge und Typologie, Orientierung
Wie gewünscht sind die EOF-Wohnungen in der westorientierten Spange zusammengefasst. Frei finanzierte Wohnungen und Wohnungen im München-Modell sind häufig kombiniert und großräumig verteilt. Aufgrund der teilweise ungünstigen Orientierung nach Nord-Ost und Nord-West wird ein hoher Anteil der Wohnungen mit durchgestecktem Grundriss organisiert. Auch wegen der an vielen Stellen hohen Schallbelastung aus dem angrenzenden Straßenraum werden insbesondere bei größeren Wohneinheiten wohnungsnahe Freiräume nach beiden Seiten vorgeschlagen, um den Nutzern eine flexible Aneignung zu ermöglichen. Lediglich Kleinwohnungen mit 1-Zimmer- und einige 2-Zimmer-WE sind ausschließlich zu einer Seite und auch zum Straßenraum orientiert.
Der hohe Anteil durchgesteckter Wohnungen hat den Vorzug beidseitiger Orientierung, sowohl zum Hof als auch nach außen. Die damit verbundene Querlüftungsmöglichkeit trägt zur Erhöhung des Wohnwertes bei. Die privaten Freiräume (Loggien und Halbloggien) sind in ganzer Breite den Wohnräumen vorgeschaltet und erlauben einen vor Einblicken geschützten Aufenthalt im Freien.
Die Treppenhäuser sind im EG durchgesteckt. Mit dem vorgelagerten Durchladeraufzug ist das um 1 m angehobene Erdgeschossniveau überall barrierefrei erreichbar. Ein Treppenauge ermöglicht die Belichtung auch von oben und bleibt dennoch wirtschaftlich im Flächenverbrauch. Den Treppenhäusern sind erdgeschossige Abstellräume für Fahrräder und Kinderwägen zugeordnet. Der ausgewählte Grundtypus einer Hauseinheit ermöglicht hohe Flexibilität bei der Auswahl des Wohnungsgemenges.
Gartenwohnungen
Für 45 Wohneinheiten, zumeist Mehrzimmerwohn-ungen, ist ein Gartenanteil mit Terrasse zum Innenhof oder nach Westen zum Schulcampus vorgesehen. Diese liegen durchgängig auf dem Niveau + 1,08m und gewähren den Bewohnern in Kombination mit der Bepflanzung durch eine Hecke die größtmögliche Privatsphäre. Die Außenkante der Privatgärten folgt den sanft schwingenden Formen des Innenhofes.
Gestaltung
Für die beabsichtigte Heraushebung des „Grünen Blockes“ als Mitte und Schwerpunkt des Entwicklungsareals PGA sind folgende, gestalterische Intentionen vorgesehen:
EG: Der Sockelzone kommt eine besondere Bedeutung zu. Das horizontale Band aus spielerisch changierenden Keramikfliesen reagiert auf die besondere Anforderung einer bewohnten EG-Zone unmittelbar am Gehsteig, wobei auch dieses Band sich hausbezogen farblich leicht verändert. Die Eingänge sind großzügig, vertieft angelegt. In den Vorzone sind Sitzbänke und Briefkastenanlagen vorgesehen.
Putzstrukturen: Die Fassaden sind oberhalb des EG (im Hof auch im EG) mit WDVS und abwechselnden Putzstrukturen, vielfach auch als Kratzputz gestaltet. Eine bewusste Ausnahme bildet das Hochhaus am Angela-Molitoris-Platz, dessen Fassade als bewusster, gestalterischer Akzent mit Keramikfliesen entsprechend dem Sockelgeschoß verkleidet werden soll.
Farbspektrum: Alle 18 Hauseinheiten erhalten eine Farbgestaltung in abgestuften Tönen einer blau-grünen Grundhaltung.
Öffnungen: Alle Loggien zur Straße sowie Halbloggien zum Innenhof sind mit Schiebetürelementen großflächig verglast. Die Fensteröffnungen in der Fassade sind als maßstäblich vertraute Lochfassade konzipiert, wobei die Fassadengestaltung sich von Haus zu Haus spielerisch verändert und individualisiert. Übergroße Fenster wurden bewusst aus Gründen des Klimaschutzes vermieden. (Aufheizung, Abkühlung!) Als spielerisches Element werden Brüstungen an Loggien und Fenstern, alternativ massiv oder als Stabgeländer ausgebildet. Dadurch bleiben die Vorteile einer Kältebrückenvermeidung erhalten.
Sondernutzungen
Die Gemeinschaftseinrichtung für die zukünftigen Bewohner werden bewusst zentral im EG des Hochhauses am Quartiersplatz zusammengefasst. Dieser Gemeinschaftsbereich, akzentuiert durch Arkaden, ist niveaugleich mit der Platzfläche angelegt und kann im Sommer beidseitig geöffnet werden. Hier sind die unterschiedlichsten Nutzungen wie Veranstaltungen, Jugendtreff, Kinderspiel, Hausaufgabenbetreuung, Sport, Fitness, Tischtennis, Musik Übung vorstellbar und wünschenswert. Zum ruhigen Innenhof nach Süden vorgelagert werden auf Gartenniveau zusammenhängende befestigte Freiflächen angeboten, wobei auch ein kleines Tagescafé möglich erscheint, Sanitärräume sind im UG vorgesehen. Die gegenüber liegende, neben dem Hofdurchgang liegenden Flächen sollten aus Sicht der Verfasser wegen der besonderen Lage am Platz ebenfalls gemeinschaftlich oder alternativ als attraktive Gewerbeflächen genutzt werden. Für die EOF-Wohnungen wurde an der Südwestecke ein kleiner autarker Gemeinschaftsbereich eingeplant.
Ökologie und Nachhaltigkeit
Die Außenhaut wird mit einem hochdämmenden und langlebigen WDV-System ausgeführt. Die Fassaden erhalten Mineralwolle als Dämmung und werden entweder mit Keramikfliesen verkleidet oder verputzt. Dies garantiert eine weitgehende Wartungsfreiheit und ist äußerst langlebig. Das Lüftungssystem ist dezentral mit kontrollierter Abluft und schallgedämmten Zuluft-Elementen.
Die Niedertemperaturstrahlungsheizung wird unterstützt durch thermische Solaranlagen und Photovoltaik auf den Dächern. Die Außenbeleuchtung, die Beleuchtung von Treppenhäusern und des Hofs werden als energiesparende LED ausgeführt. Die Bodenbeläge im Außenbereich sind hochversickernd. Die Dachflächen erhalten eine weitgehende Begrünung und werden in weiten Teilen als Gemeinschaftsgärten genutzt.
Wirtschaftlichkeit
Die geplanten 428 WE (+ Sonderbereiche) werden über nur 18 Treppenhäuser erschlossen. Das bedeutet, dass im Schnitt je Treppenhaus 24 WE angebunden sind. Daraus ergibt sich ein sehr günstiges Verhältnis von Wohn- zu Geschoßfläche (Faktor 0,81). Mit einer weitgehend identischen vertikalen Stapelung der Wohnungen ist eine wirtschaftliche Installationsführung möglich. Die massive Stahlbetonbauweise ist insofern konstruktiv optimiert, dass innerhalb eines hohen Wiederholungsfaktors Decken, Balkone und Treppen als Stahlbetonfertigteile eingesetzt werden. Die Tiefgarage ist konsequent zweibündig, mit geringer Zahl an Duplexstellplätzen zu erweitern.
Innenhofgestaltung
Die Innenhöfe bilden einen starken Kontrast zu den urban geprägten Freiflächen außerhalb des Blocks. Während außen an drei Seiten der Verkehr fließt und bis zur Gebäudekante die Oberflächen hart und befestigt sind, liegt der Fokus in den Innenhöfen auf einer naturnahen, sehr grünen und fließenden Gestaltung. Durch das angehobene Niveau und die abgesenkte Tiefgarage ist eine Überdeckung von 1,10 m sichergestellt, diese kann durch gezielte Geländemodellierungen sogar noch bis auf ca. 1,80 m erhöht werden. Dies ermöglicht die Pflanzung einer Vielzahl von mittel- und großkronigen heimischen Bäumen. In den beiden „grünen Lungen“ des Blocks werden die befestigten Flächen auf ein absolut notwendiges und sinnvolles Maß reduziert, die Wege sind versickerungsfähig als wassergebundene Wegedecke geplant.
In einer schwingenden Linie sind den EG-Wohnungen Privatgärten zugeordnet, die durch frei wachsende und blühende Sträucher abgesetzt sind. Die gesamte übrige Fläche steht den Bewohnern als gemeinschaftlich nutzbare, lärm- und immissionsfreie Grünfläche zur Verfügung. Die Bepflanzung ist dabei sehr naturnah geplant und orientiert sich an der ursprünglich vorhandenen Vegetation, dem Eichen-Hainbuchen-Lohwald (Hainbuche, Trauben- und Stieleiche, Winterlinde, Vogelkirsche, Rotbuche, Esche und Feldahorn). Damit soll auch ein ökologisch wirksamer Ausgleich zur urbanen Umgebung geschaffen werden. In die üppige Bepflanzung eingebettet finden sich mit Holzhackschnitzeln ausgekleidete Spielkuhlen mit Spielgeräten aus Holz und Baumstämmen, aber auch offene Wiesenflächen für Ball- und Bewegungsspiele.
Am Hochpunkt am Angela-Molitoris-Platz erweitert ein Bodenbelag aus hellen Platten den Gemeinschaftsbereich optisch auf beide Seiten. Im Innenhof entsteht so ein optimal besonnter befestigter Freibereich, der für die Außenbestuhlung eines kleinen Cafés genutzt werden kann oder beispielsweise für Tischtennis. Von dieser Terrasse aus führt ein geschwungener Hauptweg in den westlichen Innenhof. Die Durchgänge (einer an der Berduxstraße, zwei an der Hermine-von-Parish-Straße) sind jeweils an diesen Hauptweg angebunden und verbinden die Freiflächen der Umgebung so mit den Innenhöfen. An jedem Gartenausgang aus den Treppenhäusern sind nicht überdachte, offene Fahrrad-Abstellplätze angeordnet.
Dach
Alle Wohnungen haben über die Treppenhäuser Zugang zu einem gemeinschaftlichen Dachgarten, einige Wohnung erhalten eine private Dachterrasse. Zusätzlich besteht für die Bewohner das Angebot auf den gemeinschaftlichen Dachflächen Kräuter oder Gemüse anzubauen, oder die Dachterrasse mit Pergola z.B. für Grillfeste zu nutzen. Für die intensive Begrünung ist ein Dachaufbau von 40-80 cm vorgesehen, der z.B. auch gestaffelt werden kann, um die Bepflanzung mit Bäumen zu ermöglichen. Alle übrigen Dachflächen werden extensiv begrünt mit der Möglichkeit darüber Sonnenkollektoren und Photovoltaikelemente aufzustellen.
als Entwurfsverfasser:
Gert F. Goergens, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner
Anne Baumgartner, Dipl.-Ing. (Univ.) Landschaftsarchitektin
als Mitarbeiter:
Vaishali Anavatti S., M.Sc. Advanced Urbanism, M.Eng. Stadt- und Regionalplanung
Hinda Bouabdallah, M.A. Architektur
Serena Savi, Dottoressa in architettura Classe LM-4 (DM270)
Petra Wellnhofer, Dipl.-Ing. (FH) Architektin