Jugendstilpark,, Haar
Bebauungsplan, Denkmalschutz, Pflegeeinrichtung, Betreutes Wohnen, Parkanlagen
Städtebauliche Planungen
2003-2012
Baujahr
2017-2019
Bauherr
Erl-Bau GmbH & Co.KG, Deggendorf
Jugendstilpark Haar Vorbereitende Entwicklungen – Rahmenplan Aufgabenstellung – Bebauungsplan Bestandsbeschreibung Städtebauliches Ziel Städtebauliche Aspekte Objektplanung Pflegeeinrichtung und Betreutes Wohnen Erschließung Bauweise- und Nutzungsbeschreibung
Das Bezirkskrankenhaus Haar im Ortsteil Eglfing befand sich Anfang der 2000er Jahre im Umbruch. Aufgrund der vom Bezirk Oberbayern angestrebten Umstrukturierung der Krankenhausnutzungen in Haar sollten die Einrichtungen künftig östlich der Vockestraße zusammengefasst und dort neu organisiert werden. Der Bereich westlich der Vockestraße würde langfristig künftig keine Krankenhausnutzungen mehr beinhalten.
Die Gemeinde Haar hat deshalb im Jahr 2003 eine Rahmenplanung für das Gelände des Bezirkskrankenhauses bei Goergens + Miklautz Architekten in Auftrag gegeben, die – aufbauend auf einer sehr detaillierten Bestandsaufnahme – in den Jahren 2005/06 abgeschlossen wurde. Die Rahmenplanung, welche die angestrebten Eckdaten der künftigen Entwicklung formulierte, wurde zuvor im Dialog mit den gemeindlichen Gremien und mit dem Bezirk Oberbayern entwickelt und anschließend auch der Öffentlichkeit vorgestellt. Sachverständigenbeiträge aus den Bereichen Denkmalschutz, Immissionsschutz und Verkehr sowie eine Betrachtung der Umweltbelange waren bereits Bestandteil der Rahmenplanung. Auf Grundlage der Rahmenplanung wurden die Grundstücke anschließend für Investoren ausgeschrieben, welche die Realisierung der Planung anstrebten.
Die Gemeinde Haar beabsichtigte daher, einen Bebauungsplan für das Gelände des Bezirkskrankenhauses Haar, westlich der Vockestraße, südlich der Leibstraße und nördlich der Bahnlinie München – Rosenheim aufzustellen.
Das BKH Haar gehört aus historischen, städtebaulichen, kunst- und architekturgeschichtlichen
Gründen zu den herausragenden Baudenkmälern Münchens und Oberbayerns. Obwohl das Krankenhaus in mehreren Phasen und unter der Federführung verschiedener Architekten entstand, bilden die vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen Bauten eine stilistisch stimmige und städtebaulich zusammengehörige Gesamtanlage. Die parkähnliche Situation innerhalb des BKH geht nach Süden hin in einen Wald über, dessen Dichte über die letzten Jahrzehnte stark abgenommen hat. Vom öffentlichen Straßenraum aus gesehen war die Außenansicht des BKH vom Wohncharakter der ehemaligen Bediensteten- oder Wärterhäuser dominiert. Die Innenansicht des BKH wieß eine außerordentliche Vielfalt an Durchblicken sowie reizvollen architektonischen und räumlichen Akzentuierungen auf.
Die historischen Bauten zeigen sich als stark gegliederte Baukörper mit betonten, motivisch reichen Dächern, mit Ziergiebeln und Türmchen, mit integrierten Loggien oder vorgelagerten Veranden. Die Türme der Sakralbauten bilden weithin sichtbare Dominanten. Alle Baulichkeiten sind in ihrer Maßstäblichkeit und in ihrer einheitlichen Formensprache aufeinander abgestimmt. Das Verhältnis von Baukörper und jeweils umgebender Freifläche wurde bewusst komponiert. Die als gestalteter Park in Erscheinung tretenden Freiflächen tragen zu dem großzügigen, aufgelockerten Charakter wesentlich bei.
Die in ihrer Größe und Ausrichtung unterschiedlichen Baukörper gruppieren sich zu einer abwechslungs- und ideenreichen städtebaulichen Figuration, welche die bisherigen Krankenbauten mit den Sonderbauten (Verwaltung, Kirchen, Theater, Kleinarchitekturen, Funktionsbauten etc.) zu einem großen Ganzen harmonisch zusammenfügt. Für die Entwicklung des Krankenhausbaus im frühen 20. Jahrhundert ist das BKH ein bauliches Zeugnis ersten Ranges. Trotz ihrer dekorativen Schlichtheit gehört die Gestaltung der Fassaden aus kunstgeschichtlicher Sicht zu den besonderen Leistungen des späten Jugendstils. Von besonderer künstlerischer Bedeutung sind die Kirchen- und Beträume, reine und originäre Jugendstil-Schöpfungen dieser Zeit. Der Erhaltungszustand von den beauftragten Bebauungsabschnitten war sehr unterschiedlich. Während der eine Abschnitt durch viele Neu-, An- und Umbauten teilweise beeinträchtigt wurde, ist der andere als charakteristisches Beispiel für die Architektur des ausgehenden Jugendstils nahezu unverändert überliefert.
Der Bebauungsplan sollte eine Umstrukturierung des ehemaligen Krankenhausgeländes ermöglichen, damit die bestehende Bebauung auch künftig unter veränderten Rahmenbedingungen angemessen weitergenutzt – und somit erhalten – werden kann.
Der Schwerpunkt der städtebaulichen Entwicklung lag auf dem Erhalt und der Stärkung des vorhandenen Jugendstilensembles durch behutsame Nachverdichtung bei großer formaler Einheitlichkeit der hinzukommenden Bebauung. Aufgabe des Bebauungsplans war es auch, durch geeignete gestalterische Festsetzungen für die Neubauten, ein ruhiges, zurückhaltendes, gleichwohl zeitgemäßes Erscheinungsbild zu fördern, das geeignet ist ein eigenständiges anspruchsvolles Gegenüber zum historischen Bestand zu entwickeln.
Die gestalterischen Grundlagen, sowohl für den Neubaubereich als auch für Umbauten im Bestand, wurden im Vorfeld am Beispiel eines Wohnquartiers erarbeitet. Die städtebauliche Dominanz der bestehenden Großbaukörper im Inneren des Geländes sollte erhalten bleiben. Daher wurden Neubaubereiche weitgehend auf die äußeren Bereiche des Planungsgebiets beschränkt. Die Blickbezüge vom Außen nach Innen sollten erhalten bleiben.
Es wurde beabsichtigt, überwiegend Wohnnutzungen vorzusehen. Für Bereiche, die stark von Lärmimmissionen belastet oder verkehrlich besonders gut erschlossen und darüber hinaus städtebaulich hierfür geeignet sind, sollten auch gewerbliche Nutzungen und geeignete Einzelhandelsstandorte untersucht werden.
Auf die Denkmaleigenschaften der bestehenden Gebäude sowie der Außenanlagen musste angemessen Rücksicht genommen werden. Insbesondere wurden dabei die Einzeldenkmäler, die großräumigen Binnenflächen mit Wegen, Plätzen und Einfriedungen sowie der historische Baumbestand mit offener Vernetzung zum Landschaftsraum, den Bannwald, im Süden erhalten und in eines neues Gesamtkonzept einbezogen. Die Erschließung durch Fahrverkehr erfolgte zum Erhalt des großzügigen Parkcharakters im Inneren des Plangebiets unter Schonung zusammenhängender Freiflächen. Weiterhin wurden attraktive Wegebeziehungen hergestellt. Das angrenzende Straßen- und Wegenetz einschließlich von Kreuzungsbereichen und Rad- und Fußgängerquerungen konnte an die bauliche Entwicklung im Plangebiet bedarfsgerecht angepasst werden. Allgemein erhielt der vorhandene Baumbestand einschließlich des Bannwaldes die größtmögliche planerische Rücksicht. Die künftigen Grünbereiche wurden mit attraktiven Spielangeboten für Kinder und Jugendliche ausgestattet und möglichst gut in das Innere Wegenetz eingebunden. Dem Immissionsschutz, mit den Hauptlärmquellen, durch Bahn und Straßenverkehr, wurde durch geeignete planerische und städtebauliche Maßnahmen und weitergehende Festsetzungen des Bebauungsplans nachsichtig geplant.
Im nordöstlichen Teil des Entwicklungsgebiets, das die Einfahrt in das Gemeindegebiet von Haar – aus der Vockestraße kommend in die Leibstraße – markiert, liegen das Einzelhandelsangebot für die Nahversorgung mit einem Markt und kleineren Läden, sowie soziale Infrastrukturangebote, bestehend aus betreutem Wohnen und einem Pflegeheim. Beide Senioreneinrichtungen sind jeweils U-förmig um einen geschützten, gemeinschaftlichen Innenhof organisiert, der den Anwohnern als ein vor dem Straßenlärm wirksam geschützter, identitätsstiftender Treffpunkt mit hoher Aufenthaltsqualität dient. Als wichtige verkehrsfreie Verbindung auf dem Areal gilt die sogenannte Rosenlaube, die zwischen Pflegeheim und Betreutem bis zu den nördlich angeordneten Gewerbezentren mit Einzelhandelsangebot, Hotel und Ärzten liegt.
Die Hauptbaukörper erhalten ein flach geneigtes Walmdach ohne Aufbauten mit matter, brauner Blechdeckung, die sich gut in die umgebende Bestandsarchitektur der Jugendstilzeit integriert. Nebenanlagen mit Flachdecke und extensiver Begrünung. Um den Bezug zur historischen Bausubstanz aufzunehmen, erhalten die Baukörper massive Ziegelwände und in Teilbereichen eine Klinker-Vorsatzschale in hellen Beige-Tönen, sowie Fenster in dunklem Farbton oder in Weiß.
Die Pflegeeinrichtung ist als U-förmige 4-geschossige Anlage konzipiert, wobei sich in einem angegliederten Trakt erdgeschossige Nebeneinrichtungen wie Café und Kapelle befinden. Der Baukörper öffnet sich nach Südwesten um den geschützten Innenhof, der es den Bewohnern ermöglicht, ruhige, besonnte Aufenthaltsbereiche mit einem Rundgang zu verschiedenen Erlebnisstationen zu begehen. Ein Pavillon mit Überdachung lädt zum Aufenthalt ein.
Die betreute Wohnanlage im Südwesten soll den Senioren ein Wohnangebot mit Betreuungsmöglichkeit schaffen, welches ein hohes Maß an Individualität und Identifikation ermöglicht. Durch die Gliederung in schlichte, lange Baukörper mit Laubengängen, die sich um einen ruhigen Innenhof schließen, wird diese Zielsetzung realisiert: es werden funktionelle, optimal geschnittene Wohnungen geschaffen, die die Privatheit der Bewohner gewährleisten. Küchen und Bäder sind natürlich belichtet und belüftet, Loggien bieten großzügige Freibereiche; helle, freundliche und natürliche Materialien sorgen für eine heitere Atmosphäre. Die angegliederten Gemeinschaftseinrichtungen wie Café, Gymnastikraum und Pflegebad können bei Bedarf in Anspruch genommen werden.
Christian Weigl, Dipl.-Ing. Architekt u. Stadtplaner
Christian Dech, Dipl.-Ing. (FH) Stadtplanung
Florian Brummann, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt
Petra Wellnhofer, Dipl.-Ing. (FH) Architektin
Tina Samietz, B.Eng. Landschaftsarchitektin