Art
Sanierung und Fassadengestaltung Hugendubelgebäude

Baujahr
2017

Bauherr
Bayerische Hausbau Immobilien GmbH & Co. KG

Fassadenpreis 2019 Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat am 16.10.2019 die Verleihung der Fassadenpreise und Lobenden Erwähnungen 2019 beschlossen. Mit dem Beschluss wurde der Bayerischen Hausbau Immobilien GmbH & Co. KG vertreten durch Goergens Miklautz Partner GmbB für die mustergültige Renovierung der Fassade des gemeldeten Anwesens Marienplatz 22 der Fassadenpreis 2019 zuerkannt.

Geschäftshaus Marienplatz Altstadtensemble

Durch Bombenangriffe am Ende des 2. Weltkrieges wurde die gesamte Südseite des Marienplatzes gegenüber dem Rathaus vollständig zerstört. Die heute bestehenden vier Parzellen wurden Ende der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts als Zeugnisse der Wiederaufbau-Architektur errichtet und sind bis auf das Haus Marien-platz 22 weitgehend erhalten. Dieses wurde in den vergangenen 60 Jahren mehrfach intensiv umgebaut, zuletzt 1994 in der bis vor Kurzem bestehenden Version einer post­modernen Überformung.

Entwurfsintention war es, aufbauend auf der noch versteckt vorhandenen Bausubstanz der Nachkriegszeit, das Haus wieder in die Gruppe der vier Parzellen zu integrieren und die aufgeregte, bisherige solitäre Sonderstellung zu vermeiden. Dazu gehört die klare Zo­nierung: großzügig, offenes Erdgeschoss, darüber abgesetzt die Bel Etage, dann vier ru­hige gleichförmig gegliederte Vollgeschosse und das einzige 7. Geschoss am Marienplatz, als Sonderbereich mit größeren Fensteröffnungen. Die neue Fassadenstruktur greift horizontale und vertikale Gliederungselemente der angrenzenden Bebauung in Form von Gesimsen und Wandpfeilern auf. Die Fassade ist insgesamt ruhig und farblich homo­gen. Es ist eine Fassade für den zweiten Blick, die ihre Besonderheit beim Näherkommen und im Detail durch das besondere Motiv der pyramidenförmigen Diamanti offeriert. Die­ses Motiv ist historisch und gleichzeitig im besten Sinne modern, weil es streng, rational, diszipliniert wirkt und gleichzeitig eine starke poetische Wirkung durch das Licht- und Schattenspiel entfaltet. Heute präsentiert sich die Südseite des Marienplatzes wieder als harmonisch, ruhiges Vis-à-vis gegenüber dem prächtigen neugotischen Rathaus.

Marienplatz 22

Neuinterpretation In München wird seit einigen Jahren verstärkt über die Bedeu­tung der Nachkriegsarchitektur diskutiert. Damit einhergehend ist die Wertschätzung für die Wiederaufbauleistung nach dem Krieg und die formal eigenständige Neuinterpre­tation der Vorkriegsbebauung deutlich gestiegen. Da diese Nachkriegsgebäude wie am Marienplatz die Platzräume heute weitgehend bestimmen, ist es Aufgabe bei weiteren Veränderungen mit der Substanz fachkundig umzugehen, bzw. diese behutsam weiter zu entwickeln.

Das Haus Marienplatz 22, ist im Laufe seiner Geschichte vielfachen, auch grundlegenden Veränderungen ausgesetzt gewesen. Im Zuge der Neuerrichtung des ganzen Gebäude­komplexes nach Kriegszerstörung zwischen Marienplatz, Rindermarkt und Rosenstra-ße – mit einer Gemeinschaftstiefgarage im 2. Untergeschoss – wurden die ursprünglich acht Parzellen an der Südseite des Marienplatzes auf vier reduziert. Das Haus ist durch seine Frontlänge am Marienplatz und der Einbeziehung einer weiteren Parzelle am Rinder­markt, das größte Haus am Platz und mit seinen sieben Vollgeschossen auch das höchste.

Bausubstanz Das heutige Gebäude ist ein mehrfach überformtes Gebäude, das 1957 geplant und 1960 fertig gestellt worden ist. Die Grundbausubstanz: Außenwände, tragen-de Skelettstruktur, Stahlbetondecken bis hin zum Dach sind erhalten geblieben. Das Gebäude war jedoch ca. 20 Jahre nach dem letzten Umbau sanierungsbedürftig bzgl. Haustechnik, Brandschutz und Energieeffizienz. Die geplante, teilweise neue Nutzungs­verteilung war im Bestandsgebäude zu integrieren. Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde deshalb auf einen Neubau verzichtet. Dafür spricht auch der Erhalt der sogenannten grauen Energie von ca. 25.000 m³ Volumen. Neben der neuen Nutzungsaufteilung war es Hauptaufgabe, die Fassade des Hauses umzugestalten.

Gestalterische Überarbeitung der Fassaden Bis 1995 war das zurückhaltend gegliederte Haus Zeugnis der Nachkriegszeit. Wie die westlich angrenzenden Nachbarge­bäude hatte es eine Basis aus Erdgeschoss und Mezzaningeschoss, darüber vier gleich gegliederte Normalgeschosse und ein 6. Obergeschoss mit deutlich größeren Fensteröff­nungen. Die Fassade hatte eine Fassadenbemalung mit geometrischen Mustern. Das letzte Erscheinungsbild der Fassade ging auf eine fundamentale Umgestaltung der 1960er­Jahre-Architektur aus dem Jahre 1996 zurück. Diese gestalterische Überformung hat die Zugehörigkeit zu den 50er-, 60er-Jahren gezielt aufgegeben zugunsten einer lautstarken, eigenwilligen Gestaltung, die durch massive Eingriffe erfolgte: Vertikalschlitze für Pano­ramaaufzüge, Zusammenfassung der beiden obersten Geschosse durch vertikale Vergla­sungen, bunte Stahlstangen als Zierelemente, auskragender Glaskranz über der Attika, Überbauung der Dachterrassen (Rindermarkt und Hof) zu vorspringenden Wintergärten.

Leitidee Für die Neugestaltung galt es somit den 50er-Jahre-Kern des Gebäudes zu rehabilitieren und Zierrat abzubauen sowie aufbauend auf der Kernsubstanz des Gebäu­des wieder einen Dialog des Hauses mit den drei erhaltenen Fassaden auf der Südseite des Marienplatzes herzustellen.

Fassadengestaltung In Hinblick auf das großartige Vis-à-vis des Platz bestimmen­den neogotischen Rathauses ist jede solitäre Heraushebung des Eckgebäudes Nr. 22 falsch. Deshalb wurde hier ganz bewusst der Weg beschritten, die Qualitäten der 50er- Jahre, die noch im Gebäude stecken, erneut herauszuarbeiten, um sich den feinglie-drigen und gut proportionierten Nachbargebäuden wieder anzunähern. Dazu waren im Einzelnen folgende Maßnahmen geplant:

Wiederbelebung der ursprünglichen Zonierung durch Erdgeschoss, Mezzaningeschoss, vier gleiche Normalgeschosse, Sonderbereich im 6. Obergeschoss. Hier als Fries ge-staltet, welcher der Dachzone der Nachbargebäude mit Dachgauben entspricht. Allein durch diese Zonierung wird die Zugehörigkeit zum Bestand erkennbar. Durch Anhebung der Fenster jeweils bis Unterkante Decke und Zusammenfassung zweier Fensterachsen zwischen den tragenden Pfeilern nimmt auch die Fenstergestaltung einen Dialog mit dem Bestand auf. Das Erdgeschoss wird von seinen willkürlichen Vor- und Rücksprüngen (vor allem in den Arkaden) befreit und linear zurückgesetzt. Das Mezzaningeschoss ist bündig mit der Fassade verglast und sollte die neue, helle Lesezone für den Buchhandel mit Blick auf das Rathaus werden. Die Materialien der Fassade bestehen aus Putzflächen: die Faschen um die Fenster sind feinkörnig und die Putzfelder zwischen den Fensterfel­dern grobkörnig. Eckpfeiler, die Stützen im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss, die Gesim­se und der Fensterfries des 6. Obergeschosses sind aus hellem Sandstein mit teilweise glatter, teilweise strukturierter Oberfläche. Das Gesamterscheinungsbild ist von farbli­cher Homogenität geprägt, lediglich die Materialoberfläche ist differenziert.

Durch diese Maßnahmen entstand wieder ein dem besonderen Ort verpflichtetes, homo­genes Erscheinungsbild der Südseite des Marienplatzes, ein ruhiges qualitätsvolles Ge­genüber zum Platz beherrschenden Rathaus. Bei der Behandlung der Details und der Materialität verleugnet dieses Haus nicht seine Zeitgenossenschaft, die auch in einer klaren, übersichtlichen Innengestaltung ihre Fortsetzung findet.

Diamanti

Als erklärter Bewunderer italienischer Stadtbaukunst, vom Mittelalter über die Renais­sance bis zum Barock, bin ich oft in italienischen Städten unterwegs. Eine von mir be­sonders geliebte Stadt ist Ferrara (Weltkulturerbe), die ihren historischen Charakter bis heute in weiten Teilen erhalten konnte. Wenn ich in Ferrara bin, zieht mich der Palazzo dei Diamanti immer wieder in seinen Bann. Ein Gebäude mit besonderer Anziehungskraft, Dank der faszinierenden Plastizität seiner Fassade. Es ist ein Frührenaissancebau des Architekten Biagio Rossetti (1447–1516).

Das Motiv der pyramidenförmigen Diamanti gibt es schon seit der Antike – in immer wie­der wechselnder Ausformung – sowohl an Sakralbauten, Profanbauten und sogar in der Höhlenmalerei. In Ferrara am Palazzo dei Diamanti entfaltet sich eine grandiose Wirkung. Die Faszination dieses Motivs mit seinem Licht- und Schattenspiel – jede Seite der Pyra-mide hat eine andere Helligkeit – hat mich bewogen, eine italienisch-südliche Anmutung nach München zu holen. Es folgten vielfältige Proportionsstudien in Modellen bis zum Maßstab 1:1, welche Proportionen, die Tiefe der Ausladung, die Abstände untereinander untersuchten, um eine eigene Interpretation für die Münchner Verhältnisse zu finden.

Auf der Suche nach dem geeigneten Stein fiel die Wahl auf den Kelheimer Auerkalk, ein einheimischer Naturstein, der in München schon seit Jahrhunderten verbaut wurde. Die Herstellung der Natursteinfassade war eine besondere Herausforderung, da die rund 10.000 Diamanti aus 8 cm starken Natursteinplatten herausgefräst werden mussten. Die besondere plastische Wirkung der Pyramiden entsteht bei Sonneneinstrahlung und ver­stärkt sich bei Streiflicht. Aus diesem Grund erfolgt die nächtliche, leichte Aufhellung der Fassaden in einem flachen Winkel vom schräg gegenüberliegenden Donisl Haus aus.

Im Näherkommen zeigt sich eine leichte Irritation: Einige Diamanti scheinen zu fehlen, – eine konzeptionelle Entscheidung um die Zugehörigkeit der Parzelle am Rindermarkt zum Haus Marienplatz 22 ablesbar zu machen. Die fehlenden Diamanti „strömen aus“ und finden sich locker verstreut auf der Parzelle an der Fassade zum Rindermarkt wieder.

Das Haus Marienplatz 22 hat eine Sonderstellung im urbanen Kontext und im unmittel­baren Umfeld stadtbildprägender, historischer Bauten: Neugotisches Rathaus, Peters­kirche, Mariensäule, Fischbrunnen sowie denkmal- bzw. ensemblegeschützte Hauspar­zellen. Die neu gestaltete Fassade besitzt in diesem Kontext eine selbstverständliche Integrationskraft, die bedingt durch Materialität (Putz, Stein) und Plastizität (Gesimse, Diamanti) sowie helle, homogene Farbgebung, einen überzeugenden Dialog mit dem his­torischen Umfeld herzustellen vermag. Gert F. Goergens, München, den 27. 03. 2018

Vorentwurf und Fassadengestaltung
Goergens Miklautz Partner GmbB, München
Petra Wellnhofer, Dipl.-Ing. (FH) Architektin / Projektleitung

Gesamtplanung
lauber zottmann blank architekten gmbh
Margita Jocham, Dipl.-Ing. (TU) Architektin / Projektleitung

Innenarchitektur Hotel Beyond
Nieto Sobejano Arquitectos GmbH, Berlin
Reiter-Hahne Architekten + Beratende Ingenieure GmbH / Projektsteuerung

Bauleitung
CL Map GmbH, München
Carsten Wittmann, Dipl.-Ing. (FH) Bauingenieur / Projektleitung

Tragwerksplanung
Hörmann & Bosch, Ingenieurbüro für Bauwesen GmbH, München

Haustechnik / HLS
Ingenieurbüro Bauer, Unterschleißheim

Elektrotechnik
Ingenieurbüro Forstner, Neuhaus / Inn

Fassadenplanung
AplusF Fassadenplanung GmbH, Hans Honig, Frankfurt a. M.

Bauphysik / Schallschutz
Kurz und Fischer GmbH, Beratende Ingenieure, Bauphysik Feldkirchen-Westerham

Brandschutz
Kersken + Kirchner GmbH, München

Lichtplanung
Schmidt König Lichtplaner, München

Kostenplanung
Brigitte Götschl Kostenplanung im Hochbau, München

Fördertechnik
FTB Ingenieurbüro für Fördertechnik, Utting am Ammersee

Fotografie
Gert F. Goergens