Art
Umbau und Erweiterung

Baujahr
2009

Bauherr
Gemeinde Anzing

Nutzfläche
914 m²

Umbau und Erweiterung des Rathauses Anzing
Das Gebäude an der Schulstraße 1 in Anzing wurde 1886 als Schulhaus errichtet und bis zum Neubau der Grundschule 1963 als Schulhaus genutzt. Bis zu diesem Zeitpunkt blieb die historisch überlieferte Anschaulichkeit eines öffentlichen Gebäudes mit ländlichem Charakter unverändert erhalten. Durch den Umbau des Gebäudes zur Rathausnutzung 1963-1964 – im Geist der 60er – Jahre wurde durch die Umgestaltung der Fassaden und die Verlegung des Hauptzugang an die Schulstraße die historische Anschaulichkeit des repräsentativen Gebäudes weitgehend zerstört. Wäre diese Umnutzung nur 10 Jahre später erfolgt, wäre dem Gebäude durch die Aufnahme in die Denkmalliste (ab 1973) diese Zerstörung wohl erspart geblieben. Ab 1964 hatte Anzing sein Rathaus in dem umgebauten Schulhaus.
Nach mehr als 40 Jahren stellten sich immer größere Mängel für die Rathausnutzung ein. Der Gemeinderat beschloss deshalb am 6. März 2007 einen Neubau auf dem Grundstück gegenüber an der Högerstraße 1 zu erstellen und das bisherige Rathaus zu sanieren, um es als Haus der Begegnung zu nutzen. Gegen diesen Beschluss erhob sich in der Gemeinde starker Widerstand, der zu einem Bürgerbegehren führte. Am 24. Juli 2007 erfolgte der Bürgerentscheid mit einem eindeutigen Votum, das Rathaus nicht in der Högerstraße 1 neu zu bauen. In der Unsicherheit wie weiter mit dem Rathausprojekt verfahren werden sollte, hat daraufhin der Gemeinderat entschieden, den Rat von Fachleuten einzuholen und alternativ Modelle untersuchen zu lassen.

Konzeptstudie
Aufgabe der Konzeptstudie 2008 sollte es sein herauszufinden, welche Standorte sich für die in Zukunft anstehenden Bauaufgaben: Rathaus, Gemeindehaus und Senioreneinrichtungen als optimal anbieten und weiterentwickelt werden könnten. Die zur Verfügung stehenden gemeindeeigenen Grundstücke Schulstaße 1 und Högerstraße 1, betreffen einen relativ schmalen (20-30 m) aber außerordentlich langen (225 m) Grundstückstreifen.
Bei der Abwägung der Nutzbarkeit der bestehenden Gebäude für die geplanten Raumprogramme zeigte das alte Schulgebäude nicht nur durch seine solide Bausubstanz, sondern auch durch die großzügigen Raumhöhen und Raumzuschnitte eine ideale Grundlage für die Rathausnutzung, allerdings nur bei Auslagerung der größten Räumlichkeiten (Gemeinderatssaal / Trauzimmer) in einen Anbau.
Der auf diesem Gedanken aufbauende Entwurf mit einem erdgeschoßigen Anbau für die genannten Sonderräume – unterkellert mit einer erforderlichen Tiefgarage – fand schon bei der Erstvorstellung im Spätherbst 2008 viel Sympathie.
Besondere Anerkennung fand dabei auch die Idee den Rathausvorplatz im Osten (bislang unattraktive Parkplatzfläche) zu einem gestalterisch zusammenhängenden Rathausplatz mit Haupt-eingang umzugestalten und die Platzfläche optisch über die Staatsstraße hinweg bis zum – zu einem späteren Zeitpunkt geplanten – Gemeindehaus bzw. Vorplatz der Senioreneinrichtungen weiterzuführen. Schon am 7. Januar 2009 hat sich der Gemeinderat in Anzing entschlossen diese Variante weiterzuentwickeln und uns Architekten den Planungsauftrag erteilt.

I
deen für den Altbau
Bei dem Studium überlieferter Dokumente des alten Schulhauses (Fotos usw.) und der vertieften Untersuchung der Gebäudesubstanz stellte sich schnell eine starke Sympathie für die historische verlorengegangene Anmutung des alten Schulgebäudes ein. Bald zeigte sich, dass – nach Entfernung der Rollladenkasteneinbauten aus den 60er Jahren – die historischen Proportionen der Fensteröffnungen ohne großen Aufwand freigelegt werden konnten.
Nach und nach festigte sich die Vorstellung das historische Schulgebäude im Zuge der Umbaumaßnahmen weitgehend zu rehabilitieren und die wichtigen historischen Bezüge zu Kirche, Pfarrhaus und Wirtshaus wiederherzustellen.
Selbstverständlich sollte keine Rekonstruktion der historischen Substanz angestrebt werden, vielmehr ging es darum die besondere Anmutung des alten Schulhauses in seiner Maßstäblichkeit und Proportionen wiederaufleben zu lassen. Dabei ist der eingeschlagene bewusste Dialog zwischen erhaltenen traditionellen Bestandsbauteilen und eindeutig zeitgemäß modern interpretierten Ausbaudetails ein Weg der aktuellen Aneignung dieses für das Ortsbild so wichtigen Gebäudes. 

Ratssaal und Trauungszimmer
Da das geforderte Raumprogramm nicht vollständig im Altbau unterzubringen war, wurde entschieden auf dem westlich angrenzenden freien Grundstück einen großzügigen erdgeschoßigen Anbau zu konzipieren. In diesem Anbau sind die Räumlichkeiten zusammengefasst, die Sondernutzungen mit stärkerem Publikumsverkehr ermöglichen. Dies gilt für den ca. 100 m² großen Gemeinderatssaal sowie für das ca. 50 m² große Trauungszimmer.
Beide Räume können getrennt oder gemeinsam genutzt werden, da sie durch eine flexible Trennwand kombinierbar sind. In diesem Fall sind öffentliche Veranstaltungen – z.B. kultureller Art – für 150 bis 200 Personen möglich. Das Raumangebot wird ergänzt durch eine Bildergalerie mit natürlichem Oberlicht, Garderobe und Sanitäranlagen für die Besucher sowie eine Teeküche.
Dieser Gebäudeteil ist unterkellert und nimmt – wegen fehlender Kellerräume unter dem Altbau – Technikräume und eine Tiefgarage mit 10 Pkw-Stellplätzen auf, die im Rahmen des Stellplatznachweises zu erbringen war.
Das Besondere des Rathausanbaus ist seine völlig autarke Nutzbarkeit, die in der Regel außerhalb der Rathausgeschäftszeiten erfolgt und somit vielfältige Möglichkeiten offeriert. Dieser Anbau wurde als eigenständiger Neubau bewusst im Kontrast zum Altbau entwickelt. Dies ist einmal durch die Materialwahl Holz für Konstruktion und Ausbau sowie die Flachdachbauweise mit extensiv begrüntem Dach sofort ablesbar. Durch die hier weiterentwickelte Holztafelbauweise konnte zum einen wegen weitgehenden Vorfertigungen die Bauzeit erheblich verkürzt werden, zum anderen der Situation besonders Rechnung getragen werden, dass dieser Gebäudeteil energetisch autark mit kürzerer Vorwärmzeit genutzt werden kann. Dies ist besonders wichtig, da diese Räumlichkeiten nur temporär genutzt werden.
Die Holzbauweise ist innen und außen in allen Bauteilen ablesbar. Öffentlich wirksam ist die Nutzung z.B. durch den Gemeinderat, die durch die großen Fensterflächen und ihrer abendlichen Beleuchtung für die Anzinger Bürger nachvollziehbar wird.              

Freianlagen
Die beengten Platzverhältnisse auf dem Grundstück und vor allem der starke Fahrverkehr auf der Staatsstraße bilden restriktive Einschränkungen. Im Rahmen der verbleibenden Möglichkeiten wurden die Freianlagen mit größter Sorgfalt entwickelt, vielfältig abgestimmt und gerade noch rechtzeitig zur Rathaus-eröffnung unter großem Zeitdruck umgesetzt.
Ein besonderes Anliegen war es den Vorplatz auf der Ostseite, der durch den Hauptzugang in der Mittelachse eine große Aufwertung erfährt, als zentralen Rathausplatz anspruchsvoll zu gestalten.
Die axiale Wirkung des Rathauses mit seiner symmetrischen Fassade wird durch zwei Heckenstreifen aus Kornell-Kirsche und der darin integrierten Baumpflanzung von je 3 Zieräpfeln „Evereste“ aufgegriffen. Der Pflanzung zugeordnete Sitzbänke und die neue Platzbeleuchtung durch moderne Mastleuchten sowie Fahnenmasten unterstreichen den öffentlichen Charakter, der Dank dieses geschützten Innenbereichs auch zum Verweilen einlädt.
Die bestehenden Feldahorne an der Schulstraße erhielten einen Kronenrückschnitt und konnten bis auf zwei Exemplare vollständig erhalten werden. Die Reihenpflanzung an der Schulstraße wurde in westlicher Richtung um 3 weitere Feldahorne ergänzt. Zwischen diesen Bäumen wurden 3 Längsparkbuchten für Besucher angelegt. Die wenigen unbefestigten Freiflächen wurden entsprechend den Besonnungsverhältnissen mit einer vielfältigen Pflanzenauswahl eingepflanzt.

Energiekonzept und Wärmeerzeugung
Der Energiestandard für die Sanierung des Bestandsgebäudes und für den Neubau in Holzbauweise entspricht der zum Planungszeitraum geltenden ENEV 2007.
Zur Erreichung dieses Energiestandards wurden am Bestands-gebäude unter anderem  die Fassade und der Dachstuhl gedämmt und neue Holz-Alu-Fenster mit Isolierverglasung eingebaut. Die Wärmeerzeugung sollte über alternative Energien erfolgen. Dafür sah das Konzept seit Beginn der Planungsstudie im Jahr 2008 eine Grundwasser-Wärmepumpe vor. Nach Pumpversuchen während der weiteren Planungs- und Bauphase wurde jedoch klar, dass die erforderliche Wassermenge an diesem Standort nicht gefördert werden kann. Daraufhin wurden verschiedene Alternativen der Wärme- und Kälteerzeugung nach technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und fördertechnischen Vorgaben untersucht. Die Entscheidung fiel danach für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, durch die neben dem Heizbetrieb auch eine Kühlung der
Räume möglich ist.

Entwurf und Planung
Goergens Miklautz Partner GmbB, München
Rudolf Miklautz, Dipl.-Ing. (Univ.) DWB Architekt 
Katrin Große, Architektin
Pier Mura, Landschaftsarchitekt

Bauleitung
Ai1 Baumanagement GmbH, Anzing

Statik
isb Siebenson und Bracher GbR, München

Prüfstatik
Ingenieurbüro Dr. Rüdiger Müller, München

Brandschutz
Gröninger & Koch, Ebersberg

Bauphysik
isb Akustik Süd GbR, München

Fotografie
Isabella Goergens, Kathrin Große