Wohnquartier Perlach, München, Wettbewerb 2. Preis
Gutachterverfahren, Entwurfskonzept für die Gebäude- und Außenanlagen des WA 4 des Bebauungsplans mit Grünordnung Nr. 2090 München Perlach
Preisgericht
05/2018 – 2. Platz
Bauherr
DEMOS Wohnbau GmbH
Das WA 4 ist das kleinste, städtebaulich aber gleichwohl eines der bedeutsamsten Quartiere des Plangebiets des BP Nr. 2090. Es markiert die Ecksituation des Baugebiets an der Einmündung der Friedrich-Creuzer-Straße in die Promenade mit südlich gegenüberliegender Kindertageseinrichtung.
Die im Bebauungsplan Nr. 2090 vorgeschlagenen Gebäude bilden die Geometrie des Quartiers scharfkantig nach. Im Entwurf werden diese Gebäudekanten aufgegriffen da dieser Ansatz die städtebaulich bedeutsame Ecksituation des Quartiers am klarsten definiert.
Gliederung des Quartiers
Die Gliederung des Quartiers in Ost-West-Richtung ist durch die Baugrenzen des Bebauungsplanes vorgegeben.
Die Möglichkeit, im Norden die Baukörper winkelförmig zusammenzuführen, wurde nicht aufgegriffen. Die Nord-Süd-Öffnung ermöglicht eine optimale Durchwegung des Quartiers und der kleine Bewohnerhof erfährt dadurch eine gewisse Großzügigkeit. Zudem wären hierdurch bei der Ausbildung der Wohnungsgrundrisse eher Probleme als Vorteile zu erwarten (Grundrissausbildung N-W-Ecksituation).
Erschließung und Parkierung
Der Entwurf wählt die Tiefgaragenzufahrt von der Friedrich-Creuzer-Straße. Die Adressbildung und die Vermeidung von überflüssigen Verkehrsbewegungen auf Anliegerstraßen legt dies nahe.
Die erforderlichen Stellplätze werden in einer zwei-geschossigen Tiefgarage nachgewiesen.
Die Baugrundverhältnisse (verfüllte Kiesgrube) erfordern ohnehin eine Tiefgründung, auf mechanische Parksysteme (Doppel-, Mehrfachparker) kann somit verzichtet werden. Die Tiefgarage erstreckt sich über die gesamte Fläche des Baugebiets, die 3 Geschosswohnungsbauten werden jeweils zur Hälfte ihres Kellergeschosses mit TG-Stellplätzen unterbaut.
Alle Treppenhäuser können von der Tiefgarage aus barrierefrei erreicht werden.
Grundrisskonzeption Teeny-Treff
Der Teeny-Treff ist der Ausgangspunkt des Entwurfs, das besondere Erkennungsmerkmal des WA 4, in Verbindung mit der südlich gegenüberliegenden Kindertagesstätte.
Der Zugang zum Teeny-Treff liegt zentral an der Promenade im Süden. Alle Räume werden über ein großzügig angelegtes Foyer erschlossen und sind einander funktional zugeordnet.
Nebenräume sind in jeweils zwei Boxen kompakt untergebracht. Multifunktions- und Mehrzweckraum bilden den Mittelpunkt des Teenytreffs. Eine Terrasse mit einer durch den Höhensprung zum Bewohnerhof ausgebildeten Sitzkante bildet den räumlichen Abschluss.
Großzügige Glasflächen ermöglichen den Einblick von außen, in Teilen sogar bis in den Innenhof, um das Leben im Inneren auch an der Promenade außen sichtbar zu machen.
Die Geschoßflächen-Überschreitungsmöglichkeit für Gemeinschaftsräume wird im räumlichen Zusammenhang mit dem Teeny-Treff realisiert, sodass diese beiden Angebote auch funktional vernetzt werden können. Die Wahl einer kompakten Erschließungsform für die darüber liegenden Wohnungen verhindert ein übermäßiges Zerschneiden des Teeny-Treffs durch die notwendigen Treppenhäuser.
Grundrisskonzeption Wohnen
Die Wohnungen sind nach dem geforderten Schlüssel nachgewiesen. Nahezu alle Wohnungen verfügen über Süd- oder Westfassadenanteile. In nach Süden gerichteten Baukörpern ermöglicht das im Norden liegende Treppenhaus eine durchgehende Raumzone an der Südfassade.
Durchgesteckte Wohnungen im Gebäude an der Anliegerstraße, die gemäß BP-Vorgabe nach Südosten zum Innenhof orientiert werden müssen, werden mit einer untergeordneten zweiten Loggia zur ebenfalls wertvollen Nord-West-Seite an der Anliegerstraße ausgestattet. Auf diese Weise bleibt der Wohncharakter der Hofsituation (S-O) lebendig, ohne die Belichtungsvorteile aus der anderen Himmelsrichtung (N-W) zu vernachlässigen.
Immissionsschutz
Loggien mit Lärmschutzanforderung können mit hinter der Fassaden- und Brüstungsebene liegenden Faltschiebeverglasungen schalltechnisch geschlossen werden. Schlafräume zu den Straßen im Süden und Südosten erhalten ein plastisch herausgearbeitetes Kastenfenster, das eine ausreichende natürliche Belüftung auch bei Lärmbelastung ermöglicht.
Freianlagen
Entwurfsziel
Bei der Betrachtung des Bebauungsplangebiets fällt ins Auge, dass dieser Bauabschnitt zum einen durch den Jugendtreff zum anderen durch den kleinsten Wohnhof im Gebiet geprägt wird. Hieraus entsteht die Herausforderung die multifunktionalen Freiflächen nicht in einzelne Fragmente zerfallen zu lassen, sondern die verschiedenen Nutzungen durch gestalterische Großzügigkeit zusammenzuführen. Im Entwurf spiegelt sich dies zum einen in großen Eingangsvorfeldern wider, zum anderen durch die Entwurfshaltung im Wohnhof. Die kleingliedrigen privaten Freiflächen unterscheiden sich deutlich von der Gemeinschaftsfläche, die nicht von einzelnen Wegen zerschnitten wird, sondern umgekehrt alle Wege in sich aufnimmt und so zum Platz wird. Im Detail gestalten sich die einzelnen Bereiche wie folgt:
Erschließungsflächen
Die Gebäude, die ausschließlich der Wohnnutzung dienen, beherbergen jeweils zwei Hauszugänge, deren Vorfelder werden zusammengefasst und erhalten jeweils gebündelt Fahrradabstellplätze. Durch die Verbindung der beiden Hauszugänge wird auf pflegeintensive Restgrünflächen verzichtet. Die Bewohnerschaft wird nicht auf Hausnummern aufgeteilt, sondern als Hausgemeinschaft gesehen. Gefasst werden die Eingangsplätze von Pflanzflächen mit niedrigen Flächenhecken.
Eine Besonderheit bildet das südliche Gebäude, das von der Hofseite aus erschlossen wird. Die prägende Nutzung als Jugendtreff spiegelt sich auch im Gebäudeumfeld wider. Da im Erdgeschoss keine Wohnnutzung stattfindet, wird der zentrale Platz des Wohnhofes an das Gebäude herangeführt, was die Raumwirkung des Platzes unterstreicht.
Der Wohnhof wird von außen über Rampen und Treppen von Norden, Osten und Westen erschlossen. Die Eingangssituationen werden mit einem Baumpaar oder einer Baumreihe mit Blühaspekt hervorgehoben, wodurch die Verbindung zwischen innen und außen betont wird. Den Bewohnern steht neben den Zuwegungen im Freien auch ein direkter Zugang in den Hof über die durchgestecken Treppenhäuser zur Verfügung.
Wohnhof
Der Wohnhof gliedert sich in Privatgärten und gemeinschaftlich genutzte Flächen. Die Privatgärten sind gegenüber dem restlichen Hof durch eine 40 cm hohe bauliche Kante erhaben. Ergänzt durch eine Schnitthecke wird den Bewohnern hierdurch ausreichend Privatsphäre geboten. Lücken in den Schnitthecken ermöglichen über Trittplattenwege den direkten Zugang in den Hof und bieten die Möglichkeit zur Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen, die bauliche Kante wandelt sich dabei wie automatisch zur Sitzgelegenheit. Den Privatflächen ist ein zwei Meter breiter Streifen mit einer niedrigen Flächenhecke vorgelagert. An diesen schließt sich das interne Wegenetz an.
Im Zentrum des Hofes fließen die Einzelwege zu einem zentralen Platz zusammen. Dadurch wird dem Fußgänger keine stringente Laufrichtung bzw. Querung des Hofes vorgegeben, vielmehr wird er zum Aufenthalt auf dem Platz eingeladen. Die entschiedene Formensprache der Geometrie wird auch hier fortgesetzt, jedoch wechselt das Thema von Geraden und Winkeln zu Kreisen. Intarsien gleich wird die Belagsfläche des Platzes von Kreisen verschiedener Größe und Materialität aufgebrochen. So dient eine Intarsie als Sandspielfläche, eine andere enthält Riesel als Fallschutzbelag der dort positionierten Spielgeräte, eine weitere besteht aus Rasen. Um die geforderte Überdeckung für Großbaumpflanzung auf der Tiefgarage zu erreichen, schieben sich zwei der Intarsien wie Zylinder aus dem Boden und beherbergen jeweils einen prägenden Hofbaum. Die Kante der Zylinder wird mit einer Holzauflage versehen und dient als Sitzgelegenheit. Somit bietet die Gemeinschaftsfläche nicht zur Raum für Kinderspiel, sondern dient auch als Treff und Ort der Kommunikation und des Austausches aller Bewohner.
Belebt wird der Wohnhof zusätzlich durch den Freibereich des Jugendtreffs. Dieser gestaltet sich als großzügige Terrasse, die mit fast 50 m² viel Raum zum Sitzen, Grillen oder Spielen, wie zum Beispiel Tischtennis, bietet. Anders als die erhöhten Privatterrassen liegt die Jugendtreff-Terrasse 45 cm tiefer als das restliche Hofniveau, damit wird ihre Besonderheit optisch unterstrichen und technisch bildet sich hierdurch eine umlaufende Sitzkante aus.
Dach
Das Gebäude des Jugendtreffs erhält im Planungsvorschlag sowohl private Dachgärten, als auch einen Gemeinschaftsdachgarten an der prominenten Ecksituation, der allen Bewohnern zur Verfügung steht und für gemeinschaftliche Aktivitäten wie Grillen oder auch urban gardening genutzt werden kann. Der Anteil von gemeinschaftlichen Dachgärten zu privaten Flächen ist im weiteren Verfahren frei einstellbar.
Die Dachflächen der rückwärtigen, reinen Wohngebäude werden zur Gänze einzelnen Wohnungen des Dachgeschosses zugeordnet vorgeschlagen. Zugänge erfolgen entweder direkt aus der Wohnung oder über das Gemeinschaftstreppenhaus, wodurch auch ein Pflegezugang gewährleistet wird.
Auf dem Dach erwartet die Bewohner eine intensiv begrünte Dachlandschaft mit Rasen, Stauden und Kleinsträuchern. Terrassenflächen befinden sich zum einen in den verglasten Direktzugängen oder den Zugängen aus den Treppenhäusern vorgelagert. Jedoch überwiegen die begrünten Flächen, wodurch die Dachfläche zum tatsächlichen Garten wird.
Rettender und baulicher Brandschutz
Der Innenhof muss zum Zwecke des rettenden Brandschutzes durch Drehleiterfahrzeuge nicht befahren werden, weil ab dem 3. OG keine nur zum Innenhof gerichteten Wohnungen vorgesehen sind. Die Rettung per Drehleiter kann vollständig von außen nachgewiesen werden. Das vorgegebene Wohnungsgemenge und die Wohnungsgrößen sind gleichwohl eingehalten.
Die Lücken in den Schnitthecken der Privatgärten sind auf die Balkone des 1. und 2. Obergeschosses abgestimmt, sodass sie nicht nur den Bewohnern des Erdgeschosses als Zugang zur Gemeinschaftsfläche dienen, sondern auch umgekehrt der Feuerwehr den Zugriff vom Wohnhof für die Rettung des Obergeschosses 1 und 2 per Steckleiter ermöglichen.
Die zweigeschossige Tiefgarage macht einen besonderen baulichen Brandschutz erforderlich, z.B. die Sprinklerung.
Abstandsflächen / BP-Vorgaben / Gestaltungsleitfaden
Die Festsetzungen des Bebauungsplans einschließlich der besonderen Abstandflächenregelung mit 45° Lichtraumprofil gemessen ab Brüstungshöhe EG sowie die Vorgaben des Gestaltungsleitfadens sind eingehalten.
als Entwurfsverfasser:
Christian Weigl, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner
Natalie Grotz, Landschaftsarchitektin
als Mitarbeiter:
Beatrice Kössl, Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektur
Can Ren, M.Sc. Städtebau
Serena Savi, Dottoressa in architettura Classe LM-4 (DM270)
Ladan Badiei, M.Eng. Landschaftsarchitektur