Wettbewerb Hochmuttingerstraße, München
Städtebaulicher und landschaftsplanerischer Planungswettbewerb
Preisgericht
11/2016
Bauherr
DEMOS Wohnbau GmbH
WOWOBAU Wohnungsbaugesellschaft mbH
HI Wohnbau GmbH
Das Planungsgebiet ist in drei übergeordnete Baufelder eingeteilt, die durch zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufende, öffentliche Grünzüge voneinander getrennt werden. Die östlich, westlich und südlich direkt benachbarten Baustrukturen werden hierbei auf eine selbstverständliche Art und Weise in die neue Gesamtstruktur einbezogen. Die für Wohnen optimale Hauptorientierung nach Süden bzw. Osten und Westen ist im Bestand vorhanden und wird als Grundgerüst im Neubaugebiet weitergetragen. Die Ränder der Quartiere stellen den erforderlichen Lärmschutz zu den unterschiedlichen Lärmquellen her und bilden das städtebauliche Rückgrat der jeweiligen Baufelder. Die Nord-Süd-Grünzüge mit Öffnung zum freien Landschaftsraum beziehen die Bolzplätze und die Freiräume der Kindertagesstätten ein und stellen außerdem einen ungehinderten Grundwasserstrom sowie Luftaustausch sicher. Die an den Bestand grenzenden Ränder der Quartiere treten in Dia-log zur jeweiligen Nachbarschaft und schaffen maßstäbliche Über-gänge zwischen den neuen und den bestehenden Baustrukturen. Die Höhenentwicklung bewegt sich überwiegend zwischen einem Geschoß und III + Terrassengeschoß. Für mehrgeschossige Hauptgebäude werden einseitig flach geneigte, raumhaltige Dächer (Pulte) mit ungestörten Dachflächen ohne Dachaufbauten vorgeschlagen. Beides führt zu einer guten – und bewusst angestrebten – strukturellen und formalen Verzahnung mit der Nachbarschaft. Die robuste, variable und wirtschaftliche Grundstruktur der Quartiere lässt unterschiedliche Umsetzungsstrategien zu. Vorgeschlagen wird ein differenziertes Angebot unterschiedlicher Bau- und Wohnformen für unterschiedliche Einkommensgruppen einschließlich von regulärem und gefördertem Wohnungsbau über mögliche Baugenossenschaftsmodelle, Miet- und Eigentumswohnungsbau ebenso wie Reihenhaus- und Atriumhausstrukturen. Dies lässt lebendige Nachbarschaften und ein hohes Maß an Identifikation, Orientierung und Wiedererkennung der Architekturen und der Freiräume erwarten. In Ost-Westrichtung sind alle öffentlichen Einrichtungen (Kitas, Einzelhandelseinrichtungen) und die jeweils zugeordneten öffentlichen Freiräume (Quartiersplätze) entlang der Haupterschließung angeordnet. Im Westen besteht ein Bezug zu den dortigen vorhandenen Sportflächen und im Osten die Anbindung an den benachbarten Quartiersplatz im Bestand mit Spieleinrichtungen. Die vorgeschlagene Atriumhaustypologie im Inneren der Quartiere verbindet eine hohe bauliche Ausnutzung mit absoluter Privatheit im Freibereich des Atriums bei gleichzeitig optimaler Abschirmung gegen (Lärm-) Einflüsse von außen. Innerhalb der Atriumhaustypologie sind unterschiedlichste Varianten und Spielarten (Orientierung, Gliederung der Geschossigkeit, Grundrissgestaltung, Größen, etc.) denkbar. Alle Reihen- und Atriumhausstrukturen sind unterbauungsfrei und durch Realteilung herauslösbar. A uch der geförderte Mietwohnungsbau ist real abteilbar. Der Einzelhandelsstandort im Südwesten des Untersuchungsbereichs bildet das Entrée zum Planungsgebiet.
Erschließung und Verkehr
Die flächensparende, kammartige Erschließung des Planungsgebiets reduziert die Beeinträchtigung der Grünräume durch Fahrverkehr auf ein Minimum. Auch auf eine Unterbauung der Grünzüge durch Tiefgaragen wird vollständig verzichtet. Das Erschließungssystem differenziert zwischen der Haupterschließung in Ost-West-Richtung (verkehrsberuhigt, Tempo 30) und den Anliegerstichen in Nord-Süd-Richtung (Spielstraßencharakter). Die Haupt-Erschließung erfolgt in Ost-Westrichtung, mit dem Einzelhandelsangebot an der Hochmuttinger Straße als Ausgangspunkt. Eine zusätzliche Anbindung nach Süden zur Schaarschmidtstraße verbessert die Verbindung in Richtung S- und U-Bahnhof und zu den dortigen Infrastruktureinrichtungen. Alle öffentlichen Einrichtungen (Einzelhandel, Kindertagesstätten) sowie alle Tiefgaragenzufahrten sind von der O-W-Hauptverbindung mit beidseitigen Längsparkbuchten unter Bäumen und beidseitigem Gehweg erschlossen. Die Anliegerstraßen / Spielstraßen mit einseitigen Längsparkbuchten unter Bäumen und höhenfreiem Ausbau erschließen die Quartiere durch Stiche entlang des jeweiligen Rückgrats eines Baugebiets zusätzlich in Nord-Südrichtung.
TG-Zufahrten sind an den Nord-Süd-Anliegerstichen nicht erforderlich, so dass die dortigen Gebäude für Fahrverkehr erreichbar sind (auch weitere Realteilungen sind hierdurch möglich), ohne dass dies zu unangemessenen Störungen in den Quartieren führt. Die Mobilitätsstation wird als zusätzliches Angebot am Einzelhandelsstandort vorgeschlagen. Die erforderlichen Feuerwehrzufahrten können vollständig auf den geplanten Straßen und Wegen nachgewiesen werden. Grünflächen werden hierdurch nicht belastet. Die Wendemöglichkeiten sind für PKW, Müll- und Rettungsfahrzeuge (Krankenwagen) ausreichend dimensioniert. Es wird vorgeschlagen, die Feuerwehrtrassen (Poller) im Ausnahmefall für Großfahrzeuge zu öffnen (z.B. bei Umzug, Baumaßnahmen), damit diese nicht wenden müssen.
Grün- und Freiflächenkonzept
Das Planungsgebiet wird durch zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufende öffentliche Grünzüge mit Anschluss an den freien Landschaftsraum gegliedert. Den Anfangs- bzw. Endpunkt der Grünzüge bilden jeweils die geforderten / vorhandenen Bolzplätze. Di e Bolzplätze sind somit funktional in das öffentliche Freiflächenkonzept integriert und halten den größtmöglichen Abstand zu den Baustrukturen in Nord-Süd-Richtung ein.
Der westliche Hauptgrünzug öffnet sich gem. FNP-Darstellung zum Ortsrand und greift die Grünverbindung zur Schaarschmidtstraße im Süden auf. Der kleiner dimensionierte östliche Grünzug vernetzt die Grünstrukturen mit Bolzplatz an der Herbergstraße mit der Ortsrandeingrünung im Norden. Die Freispielflächen der Kindertagesstätten sind derart in die Grünzüge integriert, dass sie ausreichend Abstand zu allen Lärmquellen einhalten. Die Quartiere weisen im Inneren ein differenziertes Grün- und Freiflächenangebot auf. Private und gemeinschaftlich nutzbare Freiflächen bilden ein engmaschiges Netz, das auch an Bestandsstrukturen bestens angebunden ist.
Ökologie / Nachhaltigkeit
Die Baukörper sind als einfache Kuben ohne kleinteilige Versprünge geplant, was der Wirtschaftlichkeit und dem Energiehaushalt dienlich ist. Die Dachflächen untergeordneter Gebäude und Bauteile können zum Regenwasserrückhalt und als Klimapuffer extensiv begrünt werden. Die Unterbauungen durch Tiefgaragen beschränken sich auf die Bauquartiere. Die öffentlichen Grünflächen bleiben vollständig frei von Unterbauungen. Das Oberflächenwasser der Wohnquartiere kann in Sickermulden in den jeweils angrenzenden Grünbereichen geleitet werden. Weitere Vorgaben zum Energiekonzept (Passivhaus) oder z.B. zur Grauwassernutzung könnte im B-Planverfahren verankert werden.
GRUNDRISSTYPOLOGIEN
Schallschutzbebauung / Geschoßwohnungsbau
Auf den lärmbeaufschlagten Baugrundstücken werden durchgesteckte Wohnungsgrundrisse mit durchgehenden Koch- Ess- und Wohnbereichen über die ganze Gebäudetiefe vorgeschlagen, die einerseits den Bezug zu den Grünzügen und zum Landschaftraum herstellen und andererseits ein natürliches Lüften bei geöffnetem Fenster und geschützte Außenwohnbereiche in den Innenhof ermöglichen. Das Wohnungsgemenge ist flexibel und weist 1,5-, 2-, 3- und 4-Zimmerwohnungen jeweils mit großzügigen Loggien als Wohnungsaußenräume auf. Aufenthaltsräume, die bewußt auch auf die Gebäudeseiten mit Landschaftsbezug gelegt werden, verfügen – wo es notwendig ist – auf ganzer Raumbreite über eine mobil verglaste und auch im geschlossenen Zustand über die Glasfugen natürlich zu lüftende Loggia oder über mindestens eine zur Loggia öffenbare (seitliche) Fenstertüre. Somit ist eine natürliche Lüftung bei gleichzeitigem Schallschutz für alle Aufenthaltsräume gegeben. Die Loggienverglasungen sind beweglich und können zulässiger Weise geöffnet werden, wenn die Lärmquelle nur zeitlich begrenzt existiert (z.B. Bolzplatz ohne Nachtnutzung).
Der Gebäudeabstand im Nordwesteck des Planausschnitts wird mit einer zwischen die Gebäude eingehängten, nach Westen fest verglasten und nach Osten offenen Loggia schalltechnisch derart geschlossen, dass diese Maßnahme nicht als reine Schallschutzmaßnahme wahrgenommen wird. Gleichzeitig wird wertvolle Außenwohnfläche für angrenzenden Wohnungen generiert. Im Erdgeschoss ermöglichen Durchgänge hier und an anderer Stelle die intensive Wegevernetzung mit der Umgebung. Laubengangerschließungen, die den direkten Bezug der Wohnnutzung zum Grün- oder Landschaftsraum weitgehend verhindern würden, werden als Lärmschutzmaßnahme nicht vorgeschlagen (kein Gewerbelärm mit entsprechend hohen Auflagen). In den Bereichen ohne Lärmbelastung ist jede Form des klassischen Geschoßwohnungsbaus einschließlich von 3- und 4-Spännern und frei wählbaren Wohnungsgrößen realisierbar. Die südliche Baureihe des Plangebiets (Geschoßwohnungsbau inkl. der Tiefgaragen) wird mit Ausnahme des Marktes um 1,0 m angehoben und erleichtert so den Grundwasserunterstrom in Bezug auf die südliche Nachbarschaft. Die Gebäudereihe bildet gleichzeitig das städtebauliche Rückgrat an der O-W-Haupterschließung. Die Barrierefreiheit ist im gesamten Plangebiet gegeben. Gebäude mit Hochparterre in der südlichen Baureihe erhalten einen Aufzug mit Durchladefunktion zu Überbrückung des Höhenunterschieds im EG.
Atriumhausbebauung
Die im westlichen und mittleren Bereich des Plangebiets vorgeschlagen Hofhäuser / Atriumhäuser verbinden eine für diese Wohnform hohe Grundstücksausnutzung mit einer baulichen Kleinmaßstäblichkeit, die maßvolle Übergänge zur bestehenden Nachbarschaft mit überwiegend Einfamilienhausbebauung (I-II Geschosse) ermöglicht. Der Typus des Atriumhauses ist einseitig in den (lärm-) geschützten Innenhof orientiert und benötigt in Grenzbebauung zu kommunisch angebauten Nachbarn – und auch bei Randlage zu Lärmquellen – keine notwendigen Fenster. Das Atriumhaus ist in einer großen Bandbreite unterschiedlicher Spielarten hinsichtlich Verteilung der Geschossigkeiten, Hauptausrichtung der Bauteile (Westen oder Süden) und Kombination mehrerer Häuser denkbar. Vorgeschlagen wird zudem ein Typus mit südlicher Anbauzone für z.B. eine ebenerdige und getrennt von außen zugängliche Einliegerwohnung, die das Wohnen in unterschiedlichen Lebensphasen, Familienkonstellationen oder Generationen ermöglichen kann. Das durch eine begrünte Mauer (h=2m) eingefriedete Atrium stellt absolute, uneinsehbare Privatheit im Innenhof her und bildet klare Raum- oder Platzkanten zum öffentlichen Bereich.
Reihenhausbebauung
Im östlichen Planbereich wird die angrenzende Reihenhaustyplogie zur Vervollständigung des differenzierten Wohnformenangebots und als städtebaulicher Übergang zur dortigen Nachbarschaft aufgegriffen. Die Reihenhäuser verfügen – im Gegensatz zum benachbarten Bestand – über ein zurückgesetztes, vollwertiges und raumhaltiges Dachgeschoß mit stehenden Wänden, ohne die Notwendigkeit von weiteren Aufbauten zur Dachbelichtung, sowie über eine nach Westen orientierte Dachterrasse als zusätzliches Angebot (auch als eigenständige Wohnung im Dach mit eigenem Außenwohnbereich organisierbar).
als Entwurfsverfasser:
Gert F. Goergens, Dipl.-Ing. (Univ.) DWB Architekt u. Stadtplaner
Christian Weigl, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner
Anne Baumgartner, Dipl.-Ing. (Univ.) Landschaftsarchitektin
als Mitarbeiter:
Vanessa Dörges, M.Sc., Stadtplanerin
Christian Dech, Dipl.-Ing. (FH) Stadtplanung
Ladan Badiei; M.A. Landschaftsarchitektur
Vaishali Anavatti S., M.Sc. Advanced Urbanism, M.Eng. Stadt- und Regionalplanung
Lukas Sambataro, B.Eng. Landschaftsarchitektur
Petra Wellnhofer, Dipl.-Ing. (FH) Architektin