Art
Nichtoffener Ideenwettbewerb, Zweiphasig

Preisgericht
12/2006

Auslober/Bauherr
Stadt Starnberg

Aufgabe
Die Stadt Starnberg liegt ca. 30 km südlich von München am Nordufer des Starnberger Sees. Die attraktive Lage der Stadt unmittelbar am See wird durch die am Seeufer verlaufende Bahnlinie München – Garmisch stark beeinträchtigt. Eine 1987 zwischen der Stadt Starnberg und Deutschen Bahn getroffene Vereinbarung zur Neuordnung der Bahnflächen eröffnete die Möglichkeit, die Situation grundlegend zu verbessern. Als erster Schritt im Rahmen dieser Vereinbarung wurde ein Entlastungsbahnhof mit Pendlerparkplatz im nördlichen Stadtgebiet errichtet, der die Bahnflächen am See vom ruhenden Verkehr entlastet. Mit dem Um- und Rückbau der Gleisanlagen am See und der Übereignung der frei werdenden Flächen an die Stadt soll nun der stadträumlich überaus bedeutsame Uferbereich neu geordnet werden.
In einem städtebaulichen Ideenwettbewerb soll zunächst ein umfassendes und ganzheitliches Leitbild für die Entwicklung des Uferbereichs im gesamten Stadtgebiet gefunden werden.

Nordufer
Das übergeordnete städtebauliche Ziel, die Qualität und die Intensität der Seeanbindung Starnbergs entscheidend zu stärken, wird durch folgende zentrale Entwurfsideen umgesetzt:

Starnberger Uferprinzip
Die besondere Qualität des heutigen Starnberger Nordufers ist die Vernetzung des Festlandes mit dem See durch Binnengewässer und Wasserstraßen. Beispiele sind das Landratsamt, die Wassersportsiedlung und der Würmsee.  Die genannten Bereiche – obwohl nicht direkt am See gelegen – weisen heute die größte Eigenart und Qualität, sowie durch das Element Wasser thematisch und atmosphärisch den größten Seebezug auf. Diese Bereiche kennzeichnen sich durch die Abfolge Hinterland – Wasser – Grünzone – teilweise Uferpromenade – See.

Seebogen
Am „Seebogen“ wird dieses Prinzip auf entschiedene Weise weiterentwickelt. Die gesamte durch den Bahnrückbau an dieser Stelle freiwerdende Fläche wird als Wasserfläche angelegt (Baufeld C2). Der Seebogen ist gemäß dem oben beschriebenen Starnberger Uferprinzip durch Wasserarme mit dem Starnberger See verbunden, die eine vorgelagerte neue Grünzone mit neuer Uferpromenade umschließen („Bootswiesen“). Der Seebogen, am Übergang von der Stadtpromenade über den Promenadenplatz zur Uferpromenade, ist das Identität stiftende Qualitätsmerkmal der Stadtgestaltung nördlich der Bahn. Am Ufer des Seebogens ist an eine lebendige Zone aus Straßencafés und Gastronomie gedacht – eine Atmosphäre die viel mehr als heute zum Verweilen einlädt und Urlaubscharakter ausstrahlen könnte (siehe Photobeispiel Calvi). Die vorgeschlagene Bebauung ergänzt die bestehenden Gebäude am nördlichen Seebogen auf eine Weise, dass auf vorhandene Bauformen reagiert und eine dichte Atmosphäre erzeugt wird (Baufeld C1 und südlich).

Stadtpromenade Seebogen – Osttor
Die neue Stadtpromenade reicht vom Seebogen, beginnend am Heimatmuseum mit Übergang zum Undosa, bis zum neu inszenierten Osttor. Diese Fläche wird insgesamt als Mischzone verstanden, die ein langsames, den Fuß- und Radwegverkehr achtendes, befahren erlaubt. Stellplätze entlang der Stadtpromenade werden unter Bäumen in Senkrecht- oder Schrägparkbuchten angeordnet, jedoch muss diese Straße für den Parkplatz suchenden Pendlerverkehr uninteressant bleiben. Nur auf diese Weise kann der Berufsverkehr wirksam aus der wertvollen Zone in Ufernähe zum P+R- Platz im Norden verdrängt werden, so dass zusätzliche Potentiale für den Besucherverkehr der Seeanlagen und der Geschäfte / Gastronomie sowie für den Erholungssuchenden entstehen.

Promenadenplatz
Der Promenadenplatz ist das zentrale Gelenk zwischen der Stadtpromenade (mit Seebogen, Bayerischem Hof und historischen Bahnhofsgebäude) und der Uferpromenade (mit Dampfersteg, Grünanlage und Kulturzentrum). Der Promenadenplatz entwickelt sich aus der Sichtachse Kirchplatz – St. Maria – Wittelsbacher Straße und verbindet die Stadt mit den Uferbereichen über eine großzügige, ebene, den Blick frei gebende Platzfläche.

Wegedreieck Osttor- Kirchplatz – Promenadenplatz
Die Stadtpromenade wird durch eine Aufwertung des Wegedreiecks Osttor – Kirchplatz – Promenadenplatz ergänzt. Diese Bereiche sollten so umgestaltet werden, dass sie den Fuß- und Radwegverkehr als mindestens ebenbürtig vorsehen (als Misch- oder ggf. als Fußgängerzone mit Radfahrerlaubnis). Die Verbindung Ludwigstraße – Osttor – Nepomukweg wird künftig die wichtigste F+R- Verbindung in Ufernähe hinter der Uferpromenade.

Einbettung der Bahn
Der Entwurf lehnt eine unangemessene Inszenierung der Bahn durch Baulichkeiten ab.  Deswegen wird die Höhenlage der Gleise möglichst nah auf gewachsenes oder das neu herzustellende Gelände zurückgeführt. Auf die Weise tritt die Bahn als eigenständiges, trennendes Element so wenig wie möglich in Erscheinung. Die Gleisanlagen werden in einer Art und Weise in die Oberflächengestaltung integriert, dass sie als selbstverständliches Element der Fläche empfunden werden. Die Gleiskörper in Grünanlagen werden daher begrünt und in Platzflächen bündig eingebaut.

Unterführungen
Die Verfasser sind der Auffassung, dass groß dimensionierte Unterführungsbauwerke die trennende Wirkung der Bahn im Uferbereich nur scheinbar verringern. Vielmehr wird die Meinung vertreten, dass solche Bauwerke zu einer noch stärkeren baulichen Dominanz des Gleiskörpers führen, so dass sie den städtebaulichen Missstand erst recht betonen. Dieses, dem technischen Verkehrsbau entnommene Element suggeriert eine Entflechtung der Verkehrsströme, die in dieser Form bei der vorhandenen Verkehrsart (S-Bahn und ein Regionalzug) und Frequenz verkehrlich nicht notwendig und gestalterisch nicht richtig ist. Im Gegenteil: Je größer die Unterführung, desto schwerwiegender ist der Eingriff in das vorhandene Gelände und desto mehr wird der Betrachter aus seiner natürlichen Beobachtungsebene in den Untergrund verdrängt. Deswegen schlagen die Verfasser vor, die Höhenlage, die Dimensionierung und die technische Ausstattung der Unterführungsbauwerke (Rampen, Treppen, Aufzüge zum Bahngleis) nur moderat an die funktionalen Anforderungen als ergänzendes Wegeangebot anzupassen.

Ebenerdige Bahnquerung am Promenadenplatz
In dem Wissen, dass vorhandene – und erst recht neue – ebenerdige Bahnquerungen von der Bahn sehr kritisch gesehen werden, ist genau dieses am Promenadenplatz das Mittel der Wahl. Hier hat ein angemessener Interessensausgleich zwischen dem Bedürfnis der Öffentlichkeit auf einen fußläufigen und attraktiven Seezugang mit den Verkehrs- und Sicherheitsanforderungen der Bahn zu erfolgen. Die attraktivste Verbindung, die man sich denken kann, besteht darin, auf einer großzügigen Patzfläche ebenerdig aus dem Zentrum an den See flanieren zu können. Die Sicherungselemente wie Schranken und Absperrungen müssen hierbei auf das notwendige Mindestmaß zurückgeführt und gestalterisch neu interpretiert werden. Dass solche Situationen herstellbar sind, zeigen viele vergleichbare Beispiele von ebenerdigen Bahnüberquerungen (siehe Photobeispiel Konstanz, das trotz gestalterisch mangelhafter Ausformulierung mehr Qualität aufweist, als es ein Unterführungsbauwerk an gleicher Stelle könnte).

Westlicher Uferbereich Bootswiesen – Kiesstrand Undosa
Zwischen dem Promenadenplatz und dem Undosa entsteht der heute fehlende Baustein der Uferpromenade mittels eines locker Baumüberstellten Grün- und Uferbereichs („Bootswiesen“, westlich der zu versetzenden Boosthütten), der die Promenade zur Seeseite lenkt und den Gleiskörper unauffällig integriert. Von dort erreicht man seeseitig das Undosa. Die heute steil abfallende Terrassenmauer des Undosa und des anschließenden Parks wird durch die Anschüttung eines neuen Kiesstrands zu einer Sitzstufe reduziert. Dort überblickt man den neuen Strand, der zum Baden und Spielen einlädt und der dadurch die bestehenden Nutzungen in Ihrer Attraktivität deutlich erhöht. Die Uferpromenade wechselt in diesem Bereich Ihren Charakter und führt auf trittsteinartig in den Kies gelegten Stein- oder Betonschwellen nach Süden, wo sie südlich des Undosa schließlich endet.

Zentraler Uferbereich Promenadenplatz – Parkterrassen -Kulturzentrum –  Seespitz
Der Zentrale Uferbereich zwischen Promenadenplatz und Kulturzentrum ist als gestalteter Park vorgesehen – „Parkterrassen“, der außer einer behutsamen Ergänzung / Entwicklung des vorhandenen Saums an den bestehenden Seeterrassen und ggf. einer nördlichen Eingrünung keine intensivere Baumbepflanzung sondern vorwiegend eine Gestaltung in der Ebene vorsieht. Das Kulturzentrum mit neuem Café Seespitz ist als Merk- und Orientierungspunkt gestaltet, der die Blickachse aus der Kaiser-Wilhelm-Straße freihält bzw. diese verlängert. Die Anlage der Unterführung unterstreicht diesen Ansatz („Fenster zu See“). Die Bedachung der Bahnsteige ist auf den Zwischenraum zwischen dem historischen Bahnhof und der Kaiser-Wilhelm-Straße zugeschnitten, so dass beide Blickbezüge freigehalten werden. Der Seespitz ist als offene Aussichtsfläche mit temporärer Veranstaltungsfläche in Verbindung mit der Nutzung des Kulturzentrums gedacht. Die dortigen Schiffshütten werden freigelegt und in die Gestaltung integriert.

Nördlicher Uferbereich Schiffswiesen – Strandbad
E
ntgegen den Vorgaben der Auslobung halten die Verfasser eine auf einen schmalen Streifen südlich der Bahn beschränkte Bebauung für falsch (Baufeld B1). Vielmehr sollte auch hier der Blick von der nördlichen Stadtpromenade zum See frei bleiben und die Bahn nicht durch beidseitigen Anbau nachgezeichnet werden. Davon profitiert besonders das „Wohnquartier Seeblick“ (Baufeld A), das trotz Bahn eine hochattraktive Schauseite zum See und eine vollständig ruhige Schlafraumseite zum Innenhof aufweist. Eine offen gestaltete bauliche Nutzung der nördlichen Schiffswiesen in Ergänzung der dort dauerhaft verbleibenden Nutzungen Münchner Ruderclub und Werftgelände hingegen erscheint sinnvoll. Auch diese Bebauung soll nach dem Muster des „Starnberger Uferprinzips“ (s.o.)  durch das Element Wasser aufgewertet werden („Wohnen auf den Schiffswiesen“ / „Wohnen mit Boot“). Von hier, bzw. vom Osttor ausgehend, wird der Nepomukweg zur tragenden Wegeverbindung nach Osten entwickelt, an dem alle öffentlichen und alle Freizeiteinrichtungen liegen (Jugendheim, Parkplatz Landratsamt, Hallenbad, Strandbad). Das Hallenbad wird südlich passiert und die dortige Liegewiese zugänglich gemacht. Der ungestaltete Zwischenraum zwischen den Gebäuden der Appartementanlage wird als weiterer Wasserarm genutzt („Wasserappartements“ mit eigenem Bootsliegeplatz).

Östlicher Uferbereich
Die Räumung des Taucherzentrums muss das zentrale Ziel an dieser Stelle sein, damit die heute getrennt in Erscheinung tretenden Flächen zusammenwachsen können. Der Bereich der heutigen Liegewiesen sollte durch gezielt angeordnete Sporteinrichtungen (z.B. Beachvolleyball) ergänzt werden. Partielle Verbesserungen in der Ausstattung und Gestaltung sind denkbar. Eine in der Auslobung vorgeschlagene Verlegung der Parkierung an die Bergerstraße ist richtig, allerdings sollte sie nicht dem Straßenverlauf auf dem freien Feld folgen, sondern in der Deckung der vorhandenen Waldstücke zentriert werden. Der Seekasten sollte von baulichen und sonstigen Nutzungen dauerhaft freigehalten und möglichst nah an seinen natürlichen Zustand zurückgeführt werden. Er stellt für diesen Uferabschnitt eine wichtige Freiraumressource dar.

Wettbewerb 2019
Goergens Miklautz Partner GmbB
als Entwurfsverfasser:
Gert F. Goergens, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt und Stadtplaner
Rudolf Miklautz, Dipl.-Ing. (Univ.) DWB Architekt
Christian Weigl, Dipl.-Ing. (Univ.) Architekt u. Stadtplaner